Das Lächeln der Frauen
haben Sie recht, Kindchen«, sagte er
geduldig. »Aber machen Sie sich nichts draus. So vieles, was man zu lesen bekommt,
ist Schrott. Sie lesen den Anfang: Schrott. Sie gucken in der Mitte rein:
Schrott. Das Ende: Schrott. Wenn einem so was auf den Schreibtisch kommt, kann
man sich die Mühe sparen und ...«, er hob seine Stimme ein wenig, »man muß auch
gar nicht mehr viel Worte darüber verlieren.« Er lächelte.
Mademoiselle
Mirabeau nickte einsichtig, die anderen grinsten verhalten. Der Verleger der Editions
Opale war in seinem Element und wippte auf seinem Sessel vor und zurück. »Ich
verrate Ihnen jetzt mal ein Geheimnis, Mademoiselle Mirabeau«, sagte er, und
jeder von uns wußte, was nun kommen würde, denn wir hatten es alle schon einmal
gehört. »Ein gutes Buch ist auf jeder Seite gut«, sagte er, und mit
diesen hehren Worten war die Konferenz dann wirklich zu Ende.
Ich
raffte meine Manuskripte an mich, lief bis zum Ende des engen Ganges und
stürzte in mein kleines Büro.
Völlig
außer Atem ließ ich mich in den Schreibtischstuhl fallen und wählte mit
zitternden Händen die Nummer in London.
Es
schellte ein paarmal, ohne daß jemand abhob.
»Adam,
geh dran, verdammt noch mal«, fluchte ich leise, und dann schaltete sich der
Anrufbeantworter ein.
»Literary
Agency Adam Goldberg, Sie sind mit unserem Anrufbeantworter verbunden.
Leider rufen Sie außerhalb unserer Geschäftszeiten an. Bitte hinterlassen Sie
eine Nachricht nach dem Signalton.«
Ich
holte tief Luft. »Adam!« sagte ich, und es klang selbst in meinen Ohren wie ein
Hilfeschrei. »Hier ist Andre. Bitte ruf mich umgehend an. Wir haben ein
Problem!«
3
Als
das Telefon klingelte, war ich gerade im Garten eines bezaubernden englischen
Cottages und zupfte gedankenverloren ein paar welke Blätter aus einem Busch mit
duftenden Teerosen, die an einer Backsteinmauer emporrankten.
Ein
paar Vögel zwitscherten, der Morgen war erfüllt von einem fast unwirklichen
Frieden, und die Sonne schien mild und warm auf mein Gesicht. Der perfekte
Anfang eines perfekten Tages, dachte ich und beschloß, das Telefon zu
überhören. Ich tauchte mein Gesicht in eine besonders dicke rosafarbene Blüte,
und das Klingeln verstummte.
Dann
hörte ich ein leises Knacken, und eine Stimme, die ich gut kannte, die aber
irgendwie nicht hierhergehörte, erklang hinter mir.
»Aurélie?
... Aurélie, schläfst du noch? Warum gehst du nicht ans Telefon? Hm ... komisch
... Bist du vielleicht gerade unter der Dusche? ... Hör mal, ich wollte dir nur
sagen, es wird eine halbe Stunde später bei mir, und ich bringe Croissants mit
und Chocolatines, die ißt du doch immer so gern. - Aurélie? Haaaallooo! Hallohallohallo!
Jetzt nimm doch mal ab, bitte!«
Seufzend
schlug ich die Augen auf und taumelte auf nackten Füßen in den Flur, wo das
Telefon auf seiner Station stand.
»Hallo,
Bernadette!« sagte ich verschlafen, und der englische Rosengarten verblaßte.
»Habe
ich dich geweckt? Es ist doch schon halb zehn.« Bernadette gehört zu den
Menschen, die gerne früh aufstehen, und halb zehn ist für sie schon fast
Mittag.
»Hm
... hin.« Ich gähnte, ging ins Schlafzimmer zurück, klemmte mir den Hörer
zwischen Kopf und Schulter und angelte mit einem Fuß nach meinen ausgetretenen
Ballerinas, die unter dem Bett lagen. Zu den Nachteilen eines kleinen
Restaurants gehört es, daß man am Abend eigentlich nie frei hat. Der
unschlagbare Vorteil allerdings ist der, daß man morgens ohne Eile den Tag
beginnen kann.
»Ich
hatte gerade so etwas Schönes geträumt«, sagte ich und zog die Vorhänge auf.
Ich
blickte zum Himmel - keine Sonne! - und verlor mich in Gedanken an das
sommerliche Cottage.
»Geht
es dir besser? Ich bin gleich bei dir!«
Ich
lächelte. »Ja. Viel besser«, erklärte ich und merkte überrascht, daß es
stimmte.
Drei
Tage waren vergangen, seit Claude mich verlassen hatte, und bereits gestern,
als ich zwar etwas übernächtigt, jedoch keineswegs unglücklich in den
Markthallen meine Einkäufe machte und abends im Restaurant die Gäste begrüßte
und ihnen den Loup de mer ans Herz legte, den Jacquie so köstlich
zubereiten konnte, hatte ich kaum noch an ihn gedacht. Dafür um so mehr an
Robert Miller und seinen Roman. Und an meine Idee, ihm zu schreiben.
Nur
einmal, als Jacquie mir väterlich den Arm um die Schulter legte und sagte: »Ma
pauvre petite, wie konnte er dir das antun, dieser Mistkerl. Ah, les
hommes sont des cochons, komm, hier, iß einen
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