Das Lächeln der Frauen
schon
zumute, als ich hörte, wie der Brief mit einem leisen Geräusch auf der anderen
Seite der großen Eingangstür landete.
Wenn
man einen Brief abschickt, setzt man immer etwas in Gang. Man tritt in einen
Dialog. Man möchte sich mitteilen mit all seinen Neuigkeiten, Erlebnissen und
Befindlichkeiten oder man will etwas wissen. Ein Brief besteht immer aus einem
Absender und einem Empfänger. Er fordert in der Regel eine Antwort heraus, es
sei denn, man schreibt einen Abschiedsbrief - und selbst dann ist das, was man
schreibt, auf ein lebendiges Gegenüber bezogen und löst, anders als ein Tagebucheintrag,
eine Reaktion aus.
Ich
hätte nicht genau in Worte fassen können, was ich mir eigentlich als Reaktion
auf diesen Brief erwartete. Auf jeden Fall war es mehr, als einfach einen Punkt
hinter meinen Dank für ein Buch zu setzen.
Ich
erwartete mir eine Antwort - auf meinen Brief und meine Fragen -, und die
Aussicht, den Autor kennenzulernen, der seine Geschichte im Temps des
Cerises enden ließ, war aufregend. Jedoch nicht so aufregend wie das, was
dann wirklich passierte.
4
Adam
Goldberg war wie vom Erdboden verschluckt. Er antwortete nicht, und ich wurde
mit jeder Stunde, die verstrich, nervöser. Seit dem vorigen Abend hatte ich
immer wieder versucht, ihn zu erreichen. Die Tatsache, daß man jemanden
theoretisch auf vier verschiedenen Nummern anrufen konnte, und er dann, wenn es
darauf ankam, doch nicht erreichbar war, erfüllte mich mit Haß auf das digitale
Zeitalter.
In
seiner Agentur in London lief unermüdlich das Band, dessen Ansage ich
inzwischen schon mitsprechen konnte. Auch auf Adams Geschäftshandy meldete sich
niemand, ich konnte aber eine Nachricht hinterlassen, außerdem wurde der
Teilnehmer zusätzlich mit einer SMS über meinen Anruf in Kenntnis gesetzt, das
war beruhigend! Auf seinem Anschluß zu Hause klingelte das Telefon minutenlang
ins Leere, bevor sich ein Anrufbeantworter einschaltete, auf dem mir die helle
Stimme von Adams sechsjährigem Sohn Tom entgegenplapperte.
» Hi, the Goldbergs are not at home. But don't you worry - we'll
be back soon and then we can taaaaalk ... « Es
folgten ein Kichern und ein Knacken, und danach kam der Zusatz, daß man das
Oberhaupt der Familie Goldberg in dringenden Fällen auch auf seinem privaten
Mobiltelefon erreichen konnte.
»In urgent cases you can reach Adam Goldberg on his mobile ...« Erneutes
Knacken, dann ein Flüstern. »What's your mobile number, Daddy«? Und
dann gab die Kinderstimme in voller Lautstärke eine weitere Telefonnummer
bekannt, die ich bis dato noch gar nicht kannte. Wählte man diese Nummer,
teilte einem wiederum eine freundliche Automatenstimme mit, daß der Teilnehmer
»vorübergehend nicht zu erreichen« war. Diesmal konnte man nicht einmal eine
Botschaft hinterlassen, sondern wurde aufgefordert, es später noch einmal zu
versuchen. »This number is temporarily not available, please try again
later«, hieß es lapidar, und ich knirschte mit den Zähnen.
Wieder
im Verlag, schrieb ich gleich morgens eine Mail an die Literary Agency, in
der Hoffnung, daß Adam, wo immer er sich gerade befand, seine E-Mails abrufen
würde.
Lieber
Adam, ich versuche dich auf allen Kanälen zu erreichen. Wo steckst du?! Hier
brennt die Hütte!!! Bitte ruf mich DRINGEND zurück, am besten auf dem Handy. Es
geht um unseren Autor Robert Miller, der nach Paris kommen soll. Grüße, dein
André.
Eine
Minute später war die Antwort da, und ich seufzte erleichtert, bis ich die
zweisprachige Botschaft öffnete:
Sorry, I'm out of the office. In urgent cases you can reach me on my
mobile number.
Leider
bin ich nicht im Büro. In dringenden Fällen können Sie mich auf meinem
Mobiltelefon erreichen.
Was
soll ich sagen? Es folgte die Nummer, die, wenn man sie anrief, temporarily
not available war. Und so schloß sich der Kreis.
Ich
versuchte zu arbeiten. Ich sah Manuskripte durch, beantwortete Mails, schrieb
ein paar Klappentexte, trank meinen gefühlten hundertfünfzigsten Espresso und
beäugte mein Telefon. Es hatte schon oft geklingelt an diesem Morgen, aber nie
war mein Freund und Geschäftspartner Adam Goldberg am anderen Ende der Leitung
gewesen.
Erst
hatte Hélène Bonvin angerufen, eine französische Autorin, die sehr nett und
auch sehr zeitintensiv war. Entweder befand sie sich mitten in einem
Schreibrausch, dann erzählte sie mir von jedem kleinsten Einfall, den sie zu
Papier gebracht hatte - und wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte
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