Das Lächeln der Frauen
der
Musikanlage lag eine CD mit französischen Chansons.
Ich nahm die
Flasche mit dem Pinot Blanc und goß mir noch etwas von dem Wein ein. Dann trat
ich mit meinem Glas an den Tisch und blickte in die Nacht hinaus.
Die Straße lag
einsam und dunkel da. Die wenigen kleinen Läden, die sich hier befanden, waren
schon geschlossen. In der Scheibe erblickte ich mein Spiegelbild. Ich sah eine
erwartungsfrohe junge Frau in einem ärmellosen grünen Seidenkleid, die jetzt
langsam einen Arm hob, um das Band zu lösen, das ihre Haare zusammengehalten
hatte. Ich lächelte, und die Frau in der Scheibe lächelte auch. Mag sein, daß
es kindisch gewesen war, wieder dieses Seidenkleid anzuziehen, aber ich hatte
das Gefühl gehabt, daß es an diesem Abend das einzige Kleid war, das ich tragen
wollte.
Ich hob das
Glas und prostete der Frau mit dem schimmernden Haar im Fenster zu.
»Alles Gute
zum Geburtstag, Aurélie«, sagte ich leise. »Auf daß dieser Tag ein ganz
besonderer wird!« Und ich ertappte mich plötzlich bei dem Gedanken, daß ich
mich fragte, wie weit dieser Abend wohl gehen würde.
Eine halbe
Stunde später - ich stand gerade mit zwei riesigen Handschuhen vor dem Backofen
und schob den heißen Rost mit dem Lammragout-Topf wieder zurück - hörte ich,
wie jemand laut gegen die Fensterscheibe des Restaurants klopfte. Überrascht
streifte ich die Handschuhe ab und verließ die Küche. Konnte es sein, daß
Robert Miller eine Stunde zu früh zu unserer Verabredung kam?
Im ersten
Augenblick nahm ich nur den riesigen Strauß champagnerfarbener Rosen wahr, der
vor der Scheibe auftauchte. Dann sah ich den Mann dahinter, der mir fröhlich
zuwinkte. Doch dieser Mann war nicht Robert Miller.
14
Seitdem Aurélie Bredin vor zwei
Wochen winkend über den Zebrastreifen lief und wenige Sekunden später in der
dahinter liegenden Straße verschwunden war, hatte ich diesen Moment herbeigesehnt
und zugleich gefürchtet. Ich weiß nicht, wie oft ich den Abend des sechzehnten
Dezembers vor meinem geistigen Auge hatte ablaufen lassen.
Ich hatte an
diesen Abend gedacht, wenn ich Maman im Krankenhaus besuchte; ich hatte
daran gedacht, als ich in der Verlagskonferenz saß und kleine Strichmännchen
auf meinen Notizblock malte; ich hatte daran gedacht, wenn ich in der Metro
unter der Stadt hersauste, als ich in meiner Lieblingsbuchhandlung Assouline in den wunderbaren Bildbänden stöberte, als ich mich mit meinen Freunden im La Palette traf. Und wenn ich abends in meinem Bett lag, dachte ich
sowieso daran.
Wo ich auch
war, wohin ich auch ging, der Gedanke an diesen Tag begleitete mich, und ich
nahm ihn vorweg wie ein Schauspieler die Premiere seines Theaterstücks.
Mehr als
einmal hatte ich den Telefonhörer in der Hand gehabt, um Aurélie Bredins Stimme
zu hören und sie ganz beiläufig auf einen Kaffee einzuladen, aber ich hatte immer
wieder aufgelegt, weil ich die Befürchtung hatte, einen Korb zu bekommen. Sie
hatte sich jedenfalls nicht mehr bei mir gemeldet seit dem Tag, als ich sie
»zufällige« vor ihrem Haus traf und später mein Freund Adam als Mr. Robert
Miller in ihrem Restaurant angerufen hatte, um sich mit ihr zu verabreden.
Als ich mich
mit meinem Blumenstrauß und einer Flasche Crémant auf den Weg ins Temps
des Cerises machte, war ich aufgeregt wie selten zuvor. Und nun stand ich
vor der Fensterscheibe und bemühte mich um einen ungezwungenen und nicht zu
feierlichen Gesichtsausdruck. Meine Idee, ganz spontan nach der Arbeit im
Restaurant vorbeizukommen, um Aurélie Bredin (kurz) zum Geburtstag zu
gratulieren (an den ich mich zufällig erinnert hatte), sollte ja möglichst
natürlich wirken.
Ich klopfte
also ziemlich laut gegen die Scheibe, wohl wissend, daß ich die schöne Köchin allein
im Restaurant antreffen würde, und mein Herz klopfte mindestens ebenso laut.
Ich sah ihr
überraschtes Gesicht, und wenige Sekunden später öffnete sich die Tür des Temps
des Cerises und Aurélie Bredin sah mich fragend an. »Monsieur Chabanais,
was machen Sie denn hier?«
»Ihnen zum
Geburtstag gratulieren«, sagte ich und hielt ihr den Blumenstrauß entgegen.
»Alles Liebe und Gute für Sie - auf daß alle Ihre Wünsche in Erfüllung gehen.«
»Oh ja, vielen
Dank, das ist wirklich sehr aufmerksam von Ihnen, Monsieur Chabanais.« Sie nahm
die Blumen mit beiden Händen, und ich nutzte die Gelegenheit, um mich an ihr
vorbei ins Restaurant zu schieben.
»Darf ich
einen Moment hereinkommen?« Mit einem Blick sah ich den
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