Das Lächeln der Frauen
Luft. »Nein«, sagte sie. »Und das
Abendessen mit dem Autor kann ich wohl auch vergessen.«
Ich nickte
mitfühlend und dachte, daß die Chancen recht gut standen für ein Abendessen mit
dem Autor - auch wenn er nicht Miller hieß. »Wissen Sie was, Mademoiselle
Bredin? Jetzt vergessen Sie einfach mal diesen Miller, der offensichtlich nicht
so recht weiß, was er will. Sehen Sie es mal so: Das Buch ist doch das, was
eigentlich wichtig ist. Dieser Roman hat Ihnen geholfen, Ihren Kummer zu
vergessen - er fiel sozusagen vom Himmel, um Sie zu retten. Also, ich finde das
großartig.«
Sie lächelte
zaghaft. »Ja, vielleicht haben Sie recht.« Dann setzte sie sich auf und sah
mich lange schweigend an. »Irgendwie bin ich sehr froh, daß Sie jetzt hier
sind, Monsieur Chabanais«, sagte sie dann.
Ich nahm ihre
Hand. »Meine liebe Aurélie, Sie können sich gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, daß ich jetzt hier bin«, erwiderte ich mit belegter Stimme. Dann stand
ich auf. »Und jetzt feiern wir Ihren Geburtstag«, sagte ich. »Das kommt gar
nicht in die Tüte, daß Sie hier sitzen und Trübsal blasen. Nicht solange ich es
verhindern kann.« Ich goß uns noch den Rest von dem Crémant ein, und
Aurélie trank ihr Glas in einem Zug aus und stellte es entschlossen ab.
»So ist es
recht«, sagte ich und zog sie vom Stuhl hoch. »Darf ich Sie an unseren Tisch
geleiten, Mademoiselle Bredin? Wenn Sie mir verraten, wo Sie Ihre
Köstlichkeiten aufbewahren, hole ich auch die Getränke und das Essen.«
Natürlich ließ
es sich Aurélie nicht nehmen, selbst letzte Hand an ihre Speisen zu legen, immerhin
durfte ich mit in die Küche kommen, und sie wies mich an, den Rotwein zu öffnen
und den Salat in eine große Steingutschüssel zu tun, während sie die
Schinkenwürfel in einer kleinen Pfanne anbriet. Ich war noch nie in einer
Restaurantküche gewesen und bestaunte den achtflammigen Gasherd und die vielen
Töpfe, Pfannen und Kellen, die alle in greifbarer Nähe standen oder hingen.
Den ersten
Rotwein tranken wir schon in der Küche, das zweite Glas am Tisch.
»Es schmeckt
köstlich!« rief ich immer wieder aus und tauchte meine Gabel in die zarten Blätter,
die unter den Schinkenwürfeln glänzten, und als Aurélie dann gleich die ganze
Casserolle mit dem duftenden Lammragout aus der Küche holte, um sie auf unseren
Tisch zu stellen, ging ich zu der kleinen Anlage hinüber, die unter der
Holztheke stand, und machte die Musik an.
Georges
Brassens sang mit einschmeichelnder Stimme Je m'suis fait tout petit, und
ich dachte, daß jeder Mann in seinem Leben einmal auf eine Frau trifft, von der
er sich gern zähmen läßt.
Das Lamm
zerging auf der Zunge, und ich sagte »Pure Poesie!«, und Aurélie erzählte mir,
daß das Rezept und überhaupt das ganze Menu des heutigen Abends von ihrem Vater
sei, der im Oktober verstorben war, viel zu früh.
»Er hat es zum
erstenmal gekocht, als er meine ... als er ...«, sie verhaspelte sich und
errötete plötzlich, ich weiß nicht, warum, »na, jedenfalls vor vielen, vielen
Jahren«, beendete sie den Satz und griff nach ihrem Rotweinglas.
Während wir
das Lammragout aßen, erzählte sie mir von Claude, der sie so unglaublich
belogen hatte, und von der Geschichte des roten Mantels, den sie zum Geburtstag
von ihrer besten Freundin Bernadette bekommen hatte, »die blonde Frau, die auch
auf der Lesung dabei gewesen ist, erinnern Sie sich, Monsieur Chabanais?«
Ich sah in
ihre grünen Augen und erinnerte mich an gar nichts mehr, aber ich nickte eifrig
und sagte: »Es muß schön sein, so eine gute Freundin zu haben. Trinken wir ein
Glas auf Bernadette!«
Also tranken
wir ein Glas auf Bernadette, und dann tranken wir auf meinen Wunsch noch ein
Glas auf Aurélies schöne Augen.
Sie kicherte
und sagte: »Jetzt werden Sie albern, Monsieur Chabanais.«
»Nein,
durchaus nicht«, entgegnete ich. »Ich habe noch nie solche Augen gesehen,
wissen Sie? Denn sie sind nicht einfach nur grün, sie sind wie ... wie zwei
kostbare Opale, und jetzt im Schein der Kerze kann ich in Ihren Augen das
sanfte Schimmern eines weiten Meeres sehen ...«
»Meine Güte«,
sagte sie beeindruckt. »Das ist das Schönste, das ich jemals über meine Augen
gehört habe.« Und dann erzählte sie mir von Jacquie, dem polternden Chefkoch
mit dem goldenen Herzen, der das weite Meer der Normandie vermißte.
»Ich habe auch
ein goldenes Herz«, warf ich ein, nahm ihre Hand und legte sie an meine Brust.
»Spüren Sie es?«
Sie
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