Das Lächeln der Frauen
übersehen, die nicht
mit Zärtlichkeiten bedacht, die nicht mit Lust erobert wurde? Ich glaube nicht.
Unsere Kleider
fielen leise raschelnd auf den Parkettboden, und als wir auf mein Bett sanken
und uns dort für Stunden verloren, war mein letzter Gedanke, daß André
Chabanais der richtige Falsche war.
Als ich aufwachte, lag er neben
mir, den Kopf auf seine Hand gestützt, und lächelte mich an.
»Du siehst so
schön aus, wenn du schläfst«, sagte er.
Ich sah ihn an
und versuchte mir das Bild dieses Morgens einzuprägen, an dem wir zum erstenmal
nebeneinander wach wurden. Sein breites Lächeln, die braunen Augen mit den
schwarzen Wimpern, die dunklen, leicht gewellten Haare, die völlig in Unordnung
geraten waren, der Bart, der noch viel von seinem Gesicht erkennen ließ und
viel weicher gewesen war, als ich dachte, die helle Narbe über der rechten
Augenbraue, wo er als kleiner Junge in einen Stacheldrahtzaun geraten war - und
hinter ihm die Balkontür mit den halb zugezogenen Vorhängen, ein stiller Morgen
im Hof, die Äste der großen Kastanie, ein Stück Himmel. Ich lächelte und schloß
für einen Moment die Augen.
Er strich mir
zärtlich mit dem Finger über den Mund. »Was denkst du?« fragte er.
»Ich dachte
gerade, daß ich diesen Moment gern fest- halten würde«, sagte ich und hielt
seinen Finger für ein paar Küsse mit den Lippen fest. Dann ließ ich mich mit
einem Seufzer in mein Kissen fallen. »Ich bin gerade so glücklich«, sagte ich.
»So ganz und gar glücklich.«
»Wie schön«,
sagte er und nahm mich in den Arm. »Ich bin es nämlich auch, Aurélie. Meine
Aurélie.« Er küßte mich, und wir lagen eine Weile still da und schmiegten uns
aneinander. »Ich stehe nie mehr auf«, murmelte André und strich mir über den
Rücken. »Wir bleiben einfach im Bett, ja?«
Ich lächelte.
»Mußt du denn nicht in den Verlag?« fragte ich.
»Welcher
Verlag?« murmelte er, und seine Hand glitt zwischen meine Beine. Ich kicherte.
»Du solltest wenigstens Bescheid sagen, daß du für den Rest deiner Tage hier im
Bett bleiben willst.« Mein Blick fiel auf die kleine Uhr, die auf meinem
Nachttisch stand. »Es ist schon kurz vor elf.«
Er seufzte und
zog bedauernd seine Hand zurück. »Sie sind eine kleine Spielverderberin,
Mademoiselle Bredin, das habe ich immer schon geahnt«, sagte er und zupfte an meiner
Nasenspitze. »Also gut, dann werde ich jetzt bei Madame Petit anrufen und
sagen, daß es später wird. Oder nein, noch besser - ich werde sagen, daß ich
heute leider gar nicht kommen kann. Und dann machen wir uns einen wunderwunderschönen
Tag, was hältst du davon?«
»Ich finde,
das ist eine ausgezeichnete Idee«, sagte ich. »Du regelst deine Geschäfte, und
ich mache uns inzwischen einen Kaffee.«
»So machen wir
es. Aber ich weiche nicht gern von deiner Seite ...«
»Es ist ja
nicht für lange«, erwiderte ich und wickelte mich in meinen kurzen dunkelblauen
Morgenmantel ein, um in die Küche zu gehen.
»Den ziehst du
gleich aber sofort wieder aus«, rief André, und ich lachte.
»Du kannst
wohl nicht genug bekommen!«
»Nein«,
entgegnete er. »Ich kann nicht genug bekommen von dir!«
Und ich nicht
von dir, dachte ich.
Ich fühlte
mich so sicher in diesem Augenblick, ach, so sicher!
Ich bereitete
zwei große Tassen Café crème zu, während André telefonierte und dann im
Bad verschwand. Vorsichtig trug ich sie ins Schlafzimmer zurück. Ich schob das
Buch von Robert Miller zur Seite, das immer noch auf meinem Nachttisch lag, und
stellte die Tassen ab.
War es
möglich, daß das Menu d'amour seine Wirkung gezeitigt hatte? Statt mit
einem englischen Schriftsteller hatte ich es mit einem französischen Lektor
gegessen, und mit einemmal sahen wir uns mit anderen Augen an - fast wie
Tristan und Isolde, die versehentlich zusammen den Liebestrank getrunken hatten
und nicht mehr ohne einander sein konnten. Ich erinnerte mich noch gut, wie beeindruckt
ich als Kind von der Oper war, in die Papa mich mitgenommen hatte. Und die
Sache mit dem Zaubertrank hatte ich besonders aufregend gefunden.
Lächelnd hob
ich die Kleidungsstücke auf, die überall im Zimmer verstreut lagen, und legte
sie über den Stuhl, der an einer Seite des Bettes stand. Als ich Andrés
Anzugjacke hochhob, fiel etwas zu Boden. Es war seine Brieftasche. Sie hatte
sich geöffnet, und ein paar Papiere waren herausgerutscht. Geldmünzen rollten
über das Parkett.
Ich kniete
mich auf den Boden, um die Münzen aufzusammeln,
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