Das Lächeln der Kriegerin
Ein Fehler. Er bot ihr die Zeit, noch zweimal ruhig zu zielen. Das Le der der Maske konnte dem Pfeil nicht widerstehen, dem vierten Mann stand noch der Schlaf in den Augen.
Noch während sie den Weg zurücklief, verstummten die Schreie. Sie war außer Atem, als sie Carroch erreichte, und lehnte sich einen Moment an den Körper des Pferdes. Dann erbrach sie sich.
Die Tränen trockneten schnell im Wind, als Lothiel auf der Oststraße gen Westen preschte. Doch die Leere blieb.
Sie schaute nicht nach dem Fluss, als sie die Brücke über einen Nebenarm des Bhal passierte. Sie blickte nicht in die Gesichter derer, denen sie begegnete. Immer rief sie die gleiche Warnung: »Bringt Euch in Sicherheit! Schützt Euch! Laindor wird mit Krieg und Tod überzogen! Der Feind steht schon in Iden!«
Sie wusste nicht, ob ihre Worte die Menschen mehr erschreckten als ihr Anblick. Die Leute starrten sie oft schon verängstigt an, bevor sie ihre Botschaft hinausgeschrien hatte. Ihr war es gleichgültig. Niemand schien an der Nachricht zu zweifeln. Mehr interessierte Lothiel nicht.
Sie hielt sich nicht auf, ließ die Leute mit der Warnung allein. Denn sie war auch allein, in einer Welt, die sie nicht mehr verstand.
Erst am Abend fand sie ihre Tränen wieder und weinte sich in den Schlaf. Die erste Nacht ohne Träume.
Der nächste Tag brachte wenig Veränderung. Die Oststraße verließ die Wälder und stieg jetzt steiler an, strebte dem niedrigen Massiv der Smahiberge entgegen. Das Gebirge war kein großes Hindernis. Die Straße suchte sich einen leichten Weg hinauf. Die Nacht verbrachte Lothiel in einer kleinen Höhle und machte sich am nächsten Morgen an den Abstieg. Als sie die Berge hinter sich gelassen hatte, nahm der Verkehr zu und immer öfter durchquerte die Oststraße kleinere und größere Dörfer. Aber auch als Lothiel gegen Abend das kleine Enteri erreichte, verbreitete sie nur ihre Kunde und verließ die Stadt wieder. Sie wollte auch diese Nacht nicht unter Menschen verbringen.
KÖNIGSSTADT
Lothiel achtete kaum auf die wenigen Leute, die ihr entgegenkamen, und die vielen, die wie sie in Richtung der Königsstadt unterwegs waren. Dennoch fiel ihr auf, dass die Menschen unruhig wirkten. Sie starrten Lothiel schon von Weitem an, zeigten auf sie, tuschelten und machten beinah ehrfürchtig Platz. Vermutlich hatte man sich in Enteri nicht nur um das eigene Wohl gesorgt und noch am Abend die Kunde von dem Mädchen mit den schlimmen Nachrichten verbreitet.
Lothiel kümmerte sich jetzt noch weniger um ihre Umgebung. Ihre warnende Botschaft war schon in aller Munde und so musste sie nur stur ihrem Ziel entgegenstreben. Bereits kurz nach der Mittagsstunde konnte sie in dem flachen Land fern die Türme von Arminas erkennen. In den letzten Tagen hatte sie sich keine Gedanken mehr darüber gemacht, was sie dort erwarten würde. Doch nun spürte sie eine gewisse Erleichterung. Hatte sie die Stadt erst erreicht und ihre Pflicht getan, konnte sie nach Hause reiten. Endlich würde ihr die Last von den Schultern genommen. Diesen Weg war sie Rochon schuldig gewesen. Auch Ellian und seinen Begleitern. Bald aber durfte sie den großen Angelegenheiten der Welt erst einmal den Rücken zuwenden und in den Schoß der Familie heimkehren.
Je näher Lothiel ihr kam, desto mehr forderte die Königsstadt ihre Aufmerksamkeit. Bald schon konnte sie ihren Blick nicht mehr von den hohen Mauern und Türmen wenden, die sich unter roten Fahnen majestätisch hinter dem blauen Band des Pann gen Himmel erstreckten. Schon aus der Entfernung war die Größe der Stadt beeindruckend. Lothiel hatte immer für einen Moment der Atem gestockt, wenn die mächtige Grenzfeste vor ihr aufgetaucht war. Doch Arminas übertraf diesen Anblick bei weitem. Dazu erschien ihr die Stadt nicht nur viel größer, sondern auch ungleich schöner. Und sie strahlte Macht, Stärke und Sicherheit aus. Es war, als stelle sie sich selbstbewusst jedem Feind entgegen. Dies war die Hauptstadt Laindors, die Hoffnung des ganzen Landes. Und was auch immer Lothiel in den letzten Tagen gesehen hatte: An diesen Mauern musste es scheitern.
Als sie am späten Nachmittag zum Tor gelangte, fühlte sie sich besser als in den Tagen zuvor. Auch die Menschen erschienen ihr jetzt nicht mehr so fremd. Die Kunde hatte die Stadt bereits erreicht und in vielen Augen konnte sie die Furcht erkennen. Lothiel wurde von einer berittenen Garde in prächtigen Gewändern in leuchtendem Rot und
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