Das Lächeln der toten Augen
der Kartenrückseite steht 1998-Denmark-Card. 142, 347 Varde, Mariannengade.«
»Wissen Sie was, wenn ich Ihnen das Bild von dem Trinkhorn zusende, dann schicken Sie mir doch einfach eine Kopie der Postkarte«, schlug die dänische Polizistin vor. »Ich werde sehen, was ich tun kann.«
Das war eine ausgezeichnete Idee. Tina zog ihre Schublade auf, um den Notizzettel mit ihrer dienstlichen E-Mail-Adresse hervorzukramen. Sie hatte die Anschrift erst einmal benutzt und längst schon wieder vergessen. Nachdem sie Kommissarin Holt ihre Adresse genannt hatte, verabschiedete sie sich freundlich. Sie atmete noch einmal durch. Das war leichter, als sie gedacht hatte. Als sie ihren Notizzettel zurück ins Schubfach legte, fiel Kleinschmidts Ordner vom Tisch und blieb verkehrt herum liegen. Zwei Bilder waren aus den Klarsichthüllen gerutscht und lagen daneben. Tina hob den Ordner auf und dann die Bilder. Eins zeigte das Schwert, das andere Bild den Kopf des unbekannten Toten.
Sie wusste nicht, wie lange sie regungslos auf ihrem Stuhl gesessen und schweigend auf die beiden Bilder gestarrt hatte. Die Idee, die ihr durch den Kopf gegangen war, ging ihr nicht mehr aus dem Sinn. Selbst als erneut das Telefon klingelte und Doktor Mühlbauer sich meldete, um das gestrige vorläufige Untersuchungsergebnis der Todesursache der Frau aus dem Flugzeug zu bestätigen, ließ sie der Gedanke nicht in Ruhe. Sie hörte Mühlbauer nur mit halbem Ohr zu.
Was hatte er zum Schluss gesagt, die Identifikation der Frau empfehle sich anhand des Zahnschemas, da die Leiche übel zugerichtet sei …?
Tina zögerte einen Augenblick, doch dann drückte sie die Taste für die Wahlwiederholung.
Erneut meldete sich Kommissarin Holt.
»Entschuldigung, dass ich Sie noch einmal störe«, sagte Tina. Sie erzählte von dem Schädel des Unbekannten und berichtete, dass der Kopf vermutlich mit dem in Arhus gestohlenen Schwert vom Körper des Mannes abgetrennt worden war. »Bislang ist es uns noch nicht gelungen, den Toten zu identifizieren. Zwar haben wir Interpol eingeschaltet …«
»… aber Sie wollen das Ergebnis nach Möglichkeit noch in diesem Jahrzehnt«, fiel ihr die dänische Kommissarin ins Wort.
Tina lächelte. »Da der Tote bei uns unbekannt ist und er mit dem Schwert aus Arhus umgebracht wurde, wäre es doch möglich, dass …«
»… dass das Opfer ebenfalls aus Dänemark stammt«, vollendete Kommissarin Holt den Satz. »Schicken Sie das Bild und eine Beschreibung doch einfach mit. Ich werde es mit unseren Vermissten vergleichen.«
»Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll«, erwiderte Tina. »Ich will Ihnen auf keinen Fall die Zeit stehlen.«
»Wir sind beide von der Polizei«, erwiderte Kommissarin Holt. »Wir wissen beide, dass das Verbrechen längst vor keiner Grenze mehr halt macht. Ich helfe gerne, schließlich dienen wir der gleichen Sache.«
*
Der grauhaarige Alte saß regungslos in seinem Stuhl und hielt seine Augen geschlossen. Draußen wehte nicht der Hauch eines Lüftchens. Es war heiß, mindestens dreißig Grad. Trotz seines dunklen und hochgeschlossenen Gewandes machte ihm die Hitze nichts aus. Der Mann im dunklen Anzug hingegen schwitzte fürchterlich. Die ganze Zeit über wischte er sich mit seinem schmutzigen Taschentuch über die Stirn.
Der Alte schlief, doch der Mann wagte nicht, ihn zu wecken. Er wartete bereits seit einer halben Stunde. Bald wäre es Mittag, dabei hatte er sich am heutigen Tage noch so viel vorgenommen.
Plötzlich schlug der Alte die Augen auf. »Er hat Rastaban erreicht. Es ist noch lange nicht vorüber.«
Der Dunkle erschrak. »Es tut mir leid, wenn ich dich geweckt habe«, sagte er entschuldigend. »Es lag nicht in meiner Absicht.«
»Du hast mich nicht geweckt«, erwiderte der Alte mit sonorer Stimme. »Ich habe es gesehen. Das Ende ist nah, wir müssen stark sein.«
Auf dem Gesicht des dunkel gekleideten Mannes hinterließen die Angst und der Schrecken ihre Spuren. Er fasste sich an den Kragen. »Wir sind das Ziel. Sie geben nicht auf. Sie forschen weiter. Unbeirrt.«
Der Alte nickte. »Sie lassen uns keine Wahl.«
26
Als Trevisan am gestrigen Abend nach Hause gekommen war, hatte Paula im Wohnzimmer gesessen und Fernsehen geschaut. Sie war alleine gewesen.
Die Begrüßung fiel zwar nicht überschwänglich aus, aber auch nicht gerade abweisend. Gleichgültig, normal, emotionslos vielleicht, aber nicht kühl oder sogar frostig, wie die Tage zuvor.
Trevisan hatte sich zu ihr
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