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Das Lächeln der toten Augen

Titel: Das Lächeln der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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»Das war eine Spinnerei, mehr nicht. Eine Phase der Orientierungslosigkeit im Leichtsinn der Jugend. Das kennen Sie doch sicherlich.«
    »Wissen Sie, wo Professor Gehlers abgeblieben ist?«
    »Nein, keine Ahnung«, antwortete Behrends. »Warum interessieren Sie sich für den alten Mann?«
    »Finden Sie es nicht sonderbar, dass sich die Zentrale Ihres Kulturvereins ausgerechnet in einem seiner Häuser befindet und er sogar in der Nachbarschaft gewohnt hat?«
    Der Abgeordnete schaute entgeistert. »Davon weiß ich nichts!«
    »Sie haben also keine Ahnung davon? Wer hat die Räume denn angemietet?«
    Behrends blickte sich um. Die Männer vor der Tür hatten sich längst wieder in den Raum begeben. Er erhob sich. »Sie müssen entschuldigen, aber ich habe jetzt wirklich keine Zeit mehr. Ich bin der Ehrengast bei diesem Festbankett. Da ist es nicht schicklich, zu spät zu kommen.« Behrends wandte sich um, ohne auf eine Antwort zu warten.
    »Wann kann ich noch einmal mit Ihnen reden?«, rief ihm Trevisan nach.
    »Wenden Sie sich an meine Sekretärin«, antwortete Behrends. »Sie haben ja die Nummer.«
    *
    Sie hatten die letzte Fähre genommen und waren kurz nach 21 Uhr in der Kaiserstraße angekommen. Das Haus mit der Nummer 24 war dunkel. Auch das Nachbarhaus zur Linken stand nach wie vor verlassen in der anbrechenden Dunkelheit. Der Wind hatte nachgelassen und ein leichter Sprühregen ging auf der Insel nieder.
    Till Schreier hatte den dunkelgrünen Audi am gegenüberliegenden Straßenrand geparkt. Tina Harloff schaute den Wassertropfen zu, die langsam an der kalten Frontscheibe hinabliefen.
    »Wir stehen hier wie auf dem Präsentierteller«, murmelte Till und schaute sich um.
    Tina richtete sich auf. »Hast du eine bessere Stelle?«
    Till zeigte die Straße hinunter. In Höhe des Sanatoriums zweigte eine kleine Einfahrt ab. »Wie wäre es da vorne? Wir hätten dann die Straße im Blick und würden sehen, wenn jemand vor dem Haus stehen bleibt.«
    »Gute Idee«, erwiderte Tina.
    »Ist sowieso ein Blödsinn«, murmelte Till.
    »Wie meinst du das?«
    Till Schreier ließ den Wagen an und fuhr langsam auf die Einfahrt zu. »Wie sollen die jetzt noch rüber auf die Insel kommen? Der Fährbetrieb ist eingestellt und über den Schlick werden sie schon nicht rutschen.«
    »Sie brauchen vielleicht gar keine Fähre, wer weiß, wo die herkommen.«
    Till parkte den Wagen hinter einem kleinen Fliederstrauch und stellte den Motor ab. Dann kurbelte er die Rückenlehne zurück und machte es sich bequem. »Glaubst du, die werden heute auftauchen?«
    Tina hatte sich ebenfalls entspannt niedergelassen und die Füße auf das Armaturenbrett gelegt. »Wieso nicht. Sie sind jetzt lange genug weg gewesen.«
    »Ich weiß überhaupt nicht, was das hier bringen soll«, entgegnete Till. »Halbermanns Tod hat die ganze Sache verändert – oder glaubst du, er hat den Absturz überlebt?«
    »Auf keinen Fall«, sagte Tina. »Er wäre überhaupt nicht aus dem Flieger gekommen. Die Tür einer Cessna geht genauso auf wie eine Autotür. Die kannst du bei der hohen Geschwindigkeit nicht so weit öffnen, dass du herauskommst.«
    Eine Weile schwieg Till. Dann sagte er: »Und wenn überhaupt keine Tür vorhanden war?«
    Tina lächelte. »Ohne Tür, das glaube ich nicht. Gegenwind, Kälte, Druck. Das kann nicht sein.«
    »Habt ihr die Tür denn gefunden?«
    »Nein, das nicht«, antwortete Tina. »Es ging aber noch viel mehr verloren, als es den Rumpf der Maschine aufriss.«
    Till schaltete den Radio ein. Leise Musik erklang. »Na ja, war ja auch nur so ein Gedanke.«
    *
    »Er lässt einfach nicht locker«, sagte der Mann mit dem dunklen Anzug. »Er hat bald alle Verbindungen aufgedeckt. Sogar in Oldenburg hat er herumgeschnüffelt.«
    Der alte Mann mit den weißen Haaren saß auf seinem Stuhl und blickte wortlos an die Decke.
    »Er ist wie ein Bluthund«, fuhr der Dunkle fort. »Er folgt der Fährte, die er aufgenommen hat, bis sie bei uns endet.«
    Der Alte seufzte. »Er ist der schwarze Stein in unserem Haus«, sagte er mit brüchiger Stimme. »Ich spüre, wie uns die Macht aus den Händen gleitet.«
    Stille legte sich über den dunklen Raum. Nur das Rauschen der weit entfernten Brandung drang durch das kleine Fenster von draußen herein.
    »Was sollen wir tun?«, fragte der Dunkle.
    Der Weißhaarige richtet sich auf. »Es ist nun die Stunde des Schwertes, nicht der Worte«, dröhnte er mit Donnerstimme. »Rufe unsere Männer zusammen, die Zeit drängt.

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