Das Lächeln der toten Augen
der Steuerbeamte noch, ehe er sich erhob. »Vielleicht können wir uns sogar gegenseitig helfen.«
Trevisan erhob sich und reichte dem groß gewachsenen Mann die Hand. Er hoffte, der Steuerbeamte würde mit seiner Annahme recht behalten und er hätte auf diesen Weg endlich etwas gegen die Söhne Uthers in der Hand.
31
Der Himmel war von solch einem reinen und tiefen Blau, dass sich Trevisan gar nicht daran sattsehen konnte. Kleine, weiße Wattebäusche schwebten, getragen von einer leichten Brise, nach Nordosten. Der Tag war heiß geworden und der leichte Wind strich über Trevisans nackte Haut. Die leichte Kühle tat gut. Entspannt lag er auf seinem Liegestuhl auf der Veranda und schaute in den Himmel. Er versuchte, die wenigen freien Momente zu genießen, die ihm trotz seiner Arbeit blieben. Leise, angenehme Musik, nicht so hektisch und bassbetont wie sonst, drang aus Paulas Zimmer in den Garten.
Trevisan lächelte. Das kleine Wölkchen über ihm hatte die Form eines Pferdes angenommen. Mit wehender Mähne galoppierte es über den Himmel, bevor es mit einer großen Wolke zusammenstieß und einfach aufgesaugt wurde.
Trevisan liebte diese Momente der Ruhe. In diesen Augenblicken konnte er alles um sich vergessen. Den Beruf, die vielen Toten, die er in seinem Leben hatte ansehen müssen, die Gesichter der Verbrecher, die er hinter Schloss und Riegel gebracht hatte und die Sehnsucht, die er nach Angela empfand, die noch immer durch den australischen Busch zog, um geeignete Plätze für ihre Fotosafari zu finden.
Angela hatte vor einer Stunde angerufen. Es war nur ein kurzes Gespräch gewesen, doch er hatte sich gefreut, ihre Stimme zu hören. Noch vierzehn Tage, dann konnte er sie endlich wieder in seine Arme schließen.
Paula hatte einen Gast, Nikolas war bei ihr. Er war am späten Nachmittag gekommen. Trevisan musste sich an den Gedanken gewöhnen, dass in die gewohnte Zweisamkeit mit Paula eine dritte Person eingedrungen war. Er wusste nicht, ob er mit Paula alles richtig gemacht hatte, ob der neue Weg der Toleranz, den er nun eingeschlagen hatte, der richtige war. Letztlich würde die Zeit entscheiden, was richtig und was falsch war. Hinterher war man immer klüger.
Trevisan schaute auf die Uhr, es war kurz nach sieben. Zeit, um den Grill anzuheizen. Er hatte Steaks und Würstchen gekauft. Auch für Nikolas würde es reichen.
*
Sie beobachteten den Eingang aus sicherer Entfernung. Nichts entging ihren Blicken. Der schwarze Golf stand seit ein paar Stunden vor dem Haus. Hier in der Gegend mit den kleinen, verklinkerten Häusern mussten sie auf der Hut sein. Sie durften nicht auffallen, deswegen hatten sie sich in den letzten Winkel eines Parkplatzes zurückgezogen. Er hatte dem Alten versprochen, dass nun nichts mehr schiefgehen würde.
Der alte Mann war immer gut zu ihm gewesen. Er hatte ihm viel zu verdanken. Ohne ihn würde er wohl schon längst in irgendeiner Gefängniszelle in Jütland verfaulen. Er würde ihn nicht enttäuschen.
*
Der Raum war fast quadratisch, drei Meter lang und knappe drei Meter breit. Weiße Kacheln am Boden, an den Wänden und sogar an der Decke. Zwei kleine Fenster befanden sich an der Westseite, doch sie waren in einer solchen Höhe in die Wand eingelassen, dass man sich auf den Stuhl stellen musste, um hinauszublicken. Die Sche4iben waren aus bruchsicherem Glas und zudem noch vergittert. In der linken Ecke befand sich eine gemauerte Liege, ebenfalls mit weißen Kacheln gefliest und mit einer hölzernen Liegefläche versehen. Eine grüne Matratze lag darauf. Die Matratze roch muffig und faulig. Die Toilette befand sich neben der Tür. Einen Toilettendeckel gab es nicht, so etwas hätte als Waffe missbraucht werden können. Doch das Bedrückendste an dem Raum war die giftgrün gestrichene Stahltür mit dem kleinen Spion in Augenhöhe.
Hier saß Vesna Glasic seit über zweiundvierzig Stunden in Haft. Es war ein abstoßender und unwirtlicher Raum, in dem in erster Linie Betrunkene ausgenüchtert oder prügelnde Ehemänner verwahrt wurden, bis sie tags drauf die Zelle nüchtern wieder verlassen durften. Niemand sollte sich hier wohlfühlen. Dabei war die kleine Zelle in der Gewahrsamseinrichtung der Polizei – wie die offizielle Bezeichnung für diesen Gebäudekomplex hieß – sogar speziell für Frauen eingerichtet. In den anderen vier Zellen gab es statt einer Toilette einfach nur ein Loch im Boden.
Vorgänger der Glasic hatten ihre Spuren hinterlassen. Mit spitzen
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