Das Lächeln der toten Augen
Geldübergabemodalitäten.
Tommy irrte sich, wenn er glaubte, dass Simon Halbermann die Polizei einschalten würde. Wenn er es getan hätte, wären schon längst Polizisten aufgetaucht.
Im Schutze des Vorhanges warf er einen Blick aus dem Fenster. Unter ihm lag die Straße. Dort war nichts Verdächtiges zu sehen. Kein Polizeiwagen in Zivil, kein Streifenwagen, keine verdächtigen Gestalten in beigen Regenmänteln, die verstohlen ihre Blicke auf das Haus richteten. Tommy Wolff hatte keine Ahnung. Er hatte eine große Klappe, doch wenn es darauf ankam, dann kniff er meist. Bestimmt dachte Simon Halbermann bereits darüber nach, wie er das viele Geld so schnell beschaffen konnte. Er würde zahlen, dessen war sich Mike Landers sicher. Simon Halbermann hatte etwas zu verbergen.
Er überlegte einen Moment. Eines war klar: Wenn Simon Halbermann zahlte, dann räumte der damit auch seine Schuld an Marias Verschwinden ein. Wenn Mike mit dem Geld und seiner Aussage zur Polizei ging und dort auch noch die Beweise und Svens Abschiedsbrief vorlegte, dann musste ihm die Polizei einfach glauben.
Er ordnete die Zeitungen auf dem Schreibtisch. Dann öffnete er eine Schublade, zog ein weißes Blatt Papier, eine Schere und einen Klebestift hervor. Er blickte auf die Uhr. Es war kurz nach zehn. Heute würde er den Brief in der Firma abgeben. Er würde ihn einfach in den Briefkasten an der Pforte werfen. Nach Betriebsschluss war dort kein Mensch mehr.
Langsam machte er sich an seine Arbeit und suchte die geeigneten Buchstaben heraus. Sorgfältig schnitt er sie aus. Dann fiel ihm ein, dass er auf dem Kuvert den Empfänger angeben musste. Niemand anders als Simon Halbermann durfte ihn in die Hände bekommen und lesen. Ausgeschnittene Klebebuchstaben waren dafür natürlich nicht geeignet. Er suchte in seinem Schreibtisch, bis er die Tuscheschablone und das Zubehör fand. Er fluchte, als er das Tuschefässchen aufschraubte. Der Inhalt war eingetrocknet und nicht mehr zu gebrauchen.
»Egal«, sagte er schließlich. Ein spitzer Bleistift würde auch seinen Zweck erfüllen. Niemand würde ihn anhand des Schriftbildes verdächtigen können. Jedenfalls durfte er nicht vergessen, auf dem Adressfeld zu vermerken, dass der Brief für Simon Halbermann persönlich bestimmt war. Am Ende würde eine übereifrige Sekretärin noch seinen Plan gefährden. Das durfte auf keinen Fall geschehen.
*
Es war elf Uhr und der Junge war immer noch nicht aufgetaucht. Dabei hatte die Schule längst schon begonnen. Wo war er nur?
Noch immer lehnte das rote Rennrad an der Hauswand. Es konnte nicht sein, dass er das Haus auf anderem Wege verlassen hatte. Noch nie war ihnen jemand durch die Maschen geschlüpft. Dazu nahmen sie ihren Auftrag viel zu ernst.
»Wo bleibt er?«, fragte der Mann mit dem dunklen Schnauzbart seinen blonden Beifahrer. Sein östlicher Akzent war nicht zu überhören.
Der Blonde zuckte mit den Schultern. »Egal, wir warten!«, antwortete er bestimmt, ehe er den Blick wieder zur Haustür wandte.
»Und wenn er schon weg ist?«
»Kann nicht sein«, erwiderte der Blonde. Der Dunkelhaarige nickte und schwieg.
Der Blonde widmete sich wieder seinem Romanheft. Sie arbeiteten schon lange zusammen und waren ein eingespieltes Team. Er kam gerade mal drei Seiten weit, ehe ihn sein Begleiter anstupste. Der Blonde ließ das Heft sinken und blickte auf die gegenüberliegende Straßenseite.
»Was will die denn schon da?«, fragte der Dunkelhaarige in die Stille. Eine Frau in einem hellen Kostüm ging auf das Haus Nummer 6 zu.
»Verdammt!« stieß der Blonde aus. »Sie kommt zu früh. Ich glaube, wir müssen unseren Plan ändern.«
Der Dunkelhaarige nickte.
»Wir müssen ihn uns schnappen, sobald wir die Gelegenheit haben«, resümierte der Blonde. »Wenn wir zu lange warten, dann macht er noch Dummheiten.«
»Aber wie kriegen wir das Bild?«
»Er wird es uns geben, sobald wir mit ihm gesprochen haben«, entgegnete der Blonde siegessicher.
*
Trevisan hatte die Dienststelle kurz nach neun Uhr betreten. Nach der Frühbesprechung war er in sein Büro gegangen. Er stand am Fenster und goss seine Pelargonie, die ihm seine gute Pflege mit einer wunderschönen hellroten Blüte dankte. Nachdenklich schaute er aus dem Fenster.
War tatsächlich seine Eifersucht die Triebfeder allen Übels? Lag er in Bezug auf Paula und ihren neuen Freund wirklich so daneben?
Sicher, den Ferienbeginn in der nächsten Woche hatte er glatt übersehen. Wie kam er jetzt
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