Das Lächeln der toten Augen
elegant aus dieser Nummer, ohne einen Verlust seiner Autorität befürchten zu müssen?
Die Tür wurde geöffnet und Kriminaloberrat Beck betrat den Raum. »Entschuldige, aber du bist ja doch da.«
»Wieso? Natürlich!«, sagte Trevisan verdutzt.
»Na, hör mal, ich habe mindestens dreimal angeklopft. Warum antwortest du denn nicht?«
Trevisan wandte sich um und setzte sich auf seinen Bürostuhl. »Ich war Gedanken.«
Kriminaloberrat Beck reichte ihm einen Aktenordner. Trevisan blickte ihn fragend an.
»Das sind deine Anträge für die Verwaltung«, sagte Beck bedeutungsvoll. »Leider mussten wir sie ablehnen. Zurzeit sieht es mit unserem Budget nicht gerade rosig aus.«
»Aber wir brauchen den zweiten Internet-Computer und neue Funkgeräte«, entgegnete Trevisan ärgerlich. »Wie sollen wir Internet-Kriminalität bekämpfen, wenn wir uns zu sechst einen einzigen Rechner und noch dazu einen veralteten Anschluss teilen. Und raus auf die Straße brauchen wir mit den alten Klapperkisten von Funkgeräten auch nicht mehr. Die taugen ja nicht einmal mehr dazu, sich vom Flur bis ins Nachbarbüro zu unterhalten.«
Beck schmunzelte. »Ihr habt doch alle Handys.«
»Ja, haben wir. Private. Die beiden dienstlichen kannst du gleich mitnehmen. Geräte von der Größe eines Holzscheits, damit telefoniert doch heute keiner mehr. Dafür muss man sich ja sogar extra eine Plastiktüte mitnehmen, weil sie in keine Jackentasche passen.«
Trevisan war wütend. Die ganze Zeit über hieß es, dass kein Geld zur Verfügung stand. Was erwarteten die Politiker eigentlich noch alles von einem Polizisten, der versuchte, wenigstens einigermaßen seinen Job zu machen?
»Die Rauschgiftabteilung hat das Budget mit ihrer Telefonüberwachungsaktion stark strapaziert«, erklärte Beck. »47000 Euro, das geht ganz schön an die Substanz. Und der Fall ist noch nicht einmal abgeschlossen.«
»Wir telefonieren mit unseren Handys schon auf eigene Kosten, und bald verlangt man von uns, dass wir mit unseren eigenen Wagen an die Tatorte fahren. Gute Nacht, Deutschland. Wenn das so weitergeht, ist bald Ende mit Sicherheit und Ordnung.«
Beck schüttelte den Kopf. »Wir haben nun mal jetzt das eigenverantwortliche Haushaltsmanagement. Da müssen wir schauen, wie wir mit unserer Zuweisung hinkommen. Wir haben ja erst Mitte des Jahres und schon mehr als die Hälfte verbraucht.«
Trevisan schlug den Ordner zu und warf ihn auf den Tisch. »Wissen das auch die Leute da draußen auf der Straße?«
»Wie meinst du das?«
»Wenn ihr euch in eurer Elefantenrunde trefft, verkauft ihr dann immer noch den Sonnenschein an unseren Präsidenten oder hat einer von euch schon einmal gesagt, dass es so nicht weitergeht?«
Beck blickte verlegen auf den roten Ordner.
»Wenn sich wegen des Besuchs des Wirtschaftsministers dreihundert Polizisten acht Stunden lang die Beine in den Bauch stehen, dann hat noch keiner gefragt, was es kostet«, sagte Trevisan ärgerlich. »Eines Tages werden wir nur noch Morde an Politikern, Industriellen, gehobenen Beamten und Bürgern aus der Oberschicht bearbeiten. Für die kleinen und unteren lohnt es sich nicht mehr. Die lassen wir einfach liegen und rufen den Bestatter – oder besser noch, wir siedeln die Aasgeier wieder an. Das wird dann noch billiger.«
»Du hast aber eine ganz schön miese Laune«, sagte Beck.
»Kein Wunder. Wie soll man hier noch arbeiten? Veraltete Computer, die zehn Minuten brauchen, bis man daran schreiben kann, Funkgeräte, die nur noch die Bezeichnung ›Elektroschrott‹ verdienen, und Autos mit weit über zweihunderttausend Kilometern und rostigen Türen.«
Beck wandte sich ab und ging zur Tür. »Du kannst ja deine Anforderung im Herbst noch einmal vorlegen, vielleicht …«
»… vielleicht haben wir bis dahin im Lotto gewonnen«, vervollständigte Trevisan Becks angefangenen Satz. Doch die Tür war bereits geschlossen.
*
Mike Landers verließ gegen halb eins das Haus. Als seine Mutter überraschend zurückgekommen war, hatte er in aller Eile die zerschnittenen Zeitungen und die Papierschnipsel in seine Schreibtischschublade geräumt. Er hatte nicht mit ihr gerechnet, doch sie wurde von heftigen Kopfschmerzen geplagt und hatte sich den Rest des Tages freigenommen. Auch sie war überrascht gewesen, ihn zu Hause anzutreffen. Noch waren keine Ferien. Mike hatte ihr erklärt, dass die letzten beiden Stunden ausgefallen waren. Sie glaubte ihm, schließlich war Mike ein guter Schüler. Nur einmal, in
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