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Das Lächeln der toten Augen

Titel: Das Lächeln der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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Schwarz und Weiß blieb Weiß. Dazwischen gab es nichts, durfte es nichts geben. Es hatte keinen Sinn, mit ihm über solche Dinge zu reden. Trevisan schwieg. Doch eines hoffte er inständig: dass Dietmars Sohn ein anderes Gefühl für Mode und Kleidung entwickeln würde als sein Vater. Die weiß-schwarzen Lackschuhe, die Dietmar heute wieder trug, passten auf jedes Tanzparkett, nur nicht zu seinem hellbraunen Anzug und schon gar nicht zu einem Tatort, an dem die Leiche eines jungen Mannes lag.
     
    Horst Kleinschmidt kam mit rauchender Pfeife auf den Zivilwagen zu. Er hatte seinen Papieranzug abgestreift und in den weißen Kleinbus gelegt. Er klopfte gegen das Seitenfenster. Trevisan erschrak.
    »Hey, wenn andere arbeiten müssen, dann wird hier nicht geschlafen«, rief Kleinschmidt durch die geschlossene Scheibe und nahm die Pfeife aus dem Mund.
    Trevisan stieg aus dem Wagen. »Habt ihr etwas gefunden, das uns weiterbringt?«
    Kleinschmidt steckte die Pfeife wieder in den Mund. »Es sieht tatsächlich so aus, als ob der Junge ohne Fremdeinwirkung vom Schiffsmast gestürzt ist. Wir fanden weder einen Einschuss noch Patronenhülsen an der Stelle, an der dieser ominöse Wagen gestanden hat. Es führen Schuhspuren von der Reling bis zum Mast. Zweifellos die Spuren des Jungen. Er ist wohl über die schmale Leiter an Bord geklettert und direkt auf den Mast zugelaufen. Weitere Spuren gibt es nicht.«
    »Na also«, rief Dietmar aus dem Wageninneren. »Hab ich mir gleich gedacht. Damit ist ja alles klar.«
    »Was ist klar?«, fragte Kleinschmidt.
    »Bestimmt wird die Blutprobe positiv ausfallen«, antwortete Dietmar selbstsicher. »Der Junge hat mit seinen Kumpels hier herumgealbert, dann kam er auf die blödsinnige Idee, auf den Mast zu steigen. Dabei ist er abgerutscht. Seine Freunde sind dann in Panik einfach abgehauen. Wahrscheinlich waren sie genauso besoffen wie er.«
    Trevisan blickte Kleinschmidt fragend an.
    Kleinschmidt nickte. »Könnte durchaus so gewesen sein. Komisch ist nur seine verdreckte Kleidung. Die Schuhe und die Hose sind von einem üblen grünlichen Schlamm überzogen. Fast, als wäre er zuvor durch die Kanalisation gewatet. Ich habe die Kleider sichergestellt.«
    Trevisan horchte auf. »Habt ihr sonst noch etwas in seinen Taschen gefunden?«
    »Nichts außer einem verschlossenen Briefkuvert in der Hosentasche. Papiere oder so etwas – Fehlanzeige. Nur der Schülerausweis.«
    »Wo ist der Brief?«
    »Ich habe alles im Wagen verstaut«, erwiderte Kleinschmidt. Gemeinsam gingen sie zum Transporter der Spurensicherung.
    Unterwegs kam ihm ein uniformierter Polizist entgegen. »Kann die Leiche jetzt abtransportiert werden?«, fragte er. »Der Bestatter ist schon ungeduldig.«
    »Er soll sie in die Rechtsmedizin bringen«, antwortete Trevisan. »Wir beantragen eine Obduktion. Aber vorher will ich mir die Leiche erst noch einmal bei gutem Licht anschauen.«
    Der junge Polizist nickte und ging davon.
    »Willst du wirklich eine Leichenöffnung anregen?«, fragte Kleinschmidt überrascht.
    »Immerhin haben wir einen bislang ungeklärten Todesfall, die Meldungen, wonach Schüsse gefallen sein sollen, und einen flüchtigen Wagen«, entgegnete Trevisan. »Wenn Dietmars Theorie auch plausibel erscheint, so ist sie noch lange nicht bewiesen. Irgendetwas stört mich an dieser Darstellung.«
    Am Transporter holte Kleinschmidt eine Klarsichthülle aus einer roten Plastikkiste und reichte sie Trevisan. Sie enthielt ein weißes Briefkuvert. Trevisan hielt die Plastikhülle ins Licht. Die Buchstaben auf dem Kuvert waren akkurat und symmetrisch mit blassem Bleistift aufgemalt. Wahrscheinlich mit einer Schablone. Doch weitaus interessanter war der Empfänger. An Direktor Simon Halbermann – persönlich.
    Trevisans Kopfhaut begann zu kribbeln. »Gib mir mal Handschuhe«, sagte er zu Horst Kleinschmidt.
    »Willst du ihn öffnen?«
    »Ja!«
    »Hier und jetzt?«, fragte Kleinschmidt.
    »Nun gib schon her. Und eine Schere noch. Ich glaube, du wirst keine weiteren Fingerabdrücke darauf finden außer denen des Jungen«, entgegnete Trevisan ungeduldig. Horst Kleinschmidt beeilte sich.
    Vorsichtig, mit Latex-Handschuhen geschützt und einer spitzen Schere bewaffnet, schlitzte Trevisan das Kuvert auf. So behutsam wie möglich, um keine Spuren zu vernichten, zog er den Brief hervor und entfaltete ihn.
    »Eine Million bis nächste Woche«, las Trevisan laut. »Wenn das Geld zusammen ist, dann werden Sie eine Anzeige in der

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