Das Lächeln der toten Augen
Tina?«
»Die sprechen gerade mit den Streifenpolizisten, die den Toten fanden«, erwiderte Dietmar.
Ein schwarzer Transporter kam auf den Parkplatz gefahren. Trevisan beobachtete den Wagen, bis er unmittelbar hinter dem Lichtmastwagen der Feuerwehr parkte. Männer in dunklen Anzügen stiegen aus und unterhielten sich mit einem uniformierten Polizisten.
»Hast du schon eine Theorie?«, fragte Trevisan.
Dietmar blickte ihn mit großen Augen an. Dann zuckte er die Schultern »Zumindest ist er nicht erschossen worden. Vielleicht haben sich nur ein paar Jungs einen Spaß erlaubt und mit Schreckschusspistolen herumgealbert. Hier wird immer mal wieder von Jugendlichen gefeiert.«
Wenig später traf die Spurensicherung ein. Kleinschmidt ließ sich von Dietmar über den Sachstand informieren und machte sich mit seinem Team an die Arbeit. Trevisan hatte sich unterdessen mit Monika Sander unterhalten, die inzwischen das zeitliche Ablaufprotokoll bei der Einsatzleitung erfragt hatte. Demnach hatte um 23.47 Uhr ein junger Mann angerufen und Schüsse am Banter See gemeldet. Elf Minuten später war erneut von Schüssen am Großen Hafen berichtet worden. Die Anruferin hatte ihren Namen ebenfalls nicht genannt.
Trevisan überlegte. Hatte Dietmar recht? Hatten sich hier ein paar junge Leute einen Spaß gemacht, etwas getrunken, ein bisschen gefeiert und dabei vielleicht mit Schreckschusspistolen herumhantiert? War dabei ein schrecklicher Unfall passiert?
Mittlerweile war es weit nach drei Uhr. Zwei Stunden würde es wohl noch dunkel bleiben, jetzt hatte es nur wenig Sinn, sich im Hafengelände umzusehen. Dennoch hatte Trevisan Tina und Till beauftragt, sich die nähere Umgebung vorzunehmen. Vielleicht gab es etwas Augenfälliges. Jugendliche hinterließen oft genug Spuren ihrer ausschweifenden Feste. Flaschen, Bierdosen, Chipstüten.
Monika war inzwischen zur Einsatzzentrale gefahren, um auf Trevisans Geheiß die Aufzeichnungen der Notrufanlage zu kopieren. Vielleicht brachten die Aufnahmen neue Erkenntnisse. Hintergrundgeräusche, Stimmen, vielleicht sogar ein Name. Die neue digitale Aufzeichnungsanlage war sehr empfindlich und nahm alles auf, was vom Mikrophon übertragen wurde. Manchmal besser und gründlicher als ein menschliches Gehör.
Mittlerweile war es empfindlich kalt geworden. Nebelschwaden hüllten den Hafen in einen milchig trüben Schimmer und krochen langsam auf die nahe Stadt zu.
Trevisan und Dietmar Petermann warteten geduldig im Wagen, während Kleinschmidt sein Team über das Schiff dirigierte.
Schweigend beobachtete Trevisan die wabernden Nebelfetzen. Er hing seinen Gedanken nach. Schon wieder war ein Jugendlicher zu Tode gekommen. Nur wenige Jahre älter als Paula.
Dietmar hatte sich im Sitz zurückgelegt und blickte schläfrig auf die Innenverkleidung des Autodaches.
»Ein harter Schlag für die Familie«, sagte Trevisan.
»Was hast du gesagt?«, fragte Dietmar müde.
»Ich meine, stell dir einmal vor, eines Tages klingelt die Polizei an deiner Tür und überbringt dir die Nachricht vom Tod deines Sohnes. Was ginge dann in dir vor?«
»Wie kommst du auf so eine blöde Idee?«, entgegnete Dietmar genervt. »Stimmt etwas nicht?«
»Ich denke doch nur darüber nach, wie sich die Eltern fühlen müssen, wenn sie ein Kind auf so eine schreckliche Weise verlieren. Er geht in dieselbe Schule wie Paula, wahrscheinlich zwei Klassen höher.«
Dietmar verzog das Gesicht. »In der letzten Zeit bist du ganz schön komisch geworden. Ich habe das schon am letzten Samstag bei dem Selbstmörder bemerkt. Was ist denn los mit dir?«
Trevisan wandte sich ab und blickte durch die verschmutzte Seitenscheibe. Das Licht brach sich in den Schlieren und bildete kleine gelbliche Kreise.
»Über so etwas denke ich überhaupt nicht nach«, sagte Dietmar nach einem Moment des Schweigens. »Warum denn auch? Johannes würde niemals etwas tun, das mir gegen den Strich geht. Da brauche ich mir überhaupt keine Sorgen zu machen.«
Trevisan seufzte. »Und was macht dich so sicher?«
»Er ist mein Sohn. Er weiß, was sich gehört und was ich von ihm erwarte.«
Trevisan schaute Dietmar an. Sein Gesicht lag im Halbschatten. »Dein Sohn ist gerade mal zehn Jahre alt. Bist du sicher, dass du ihn immer im Griff haben wirst?«
»Ja, schließlich weiß ich, was eine gute Erziehung wert ist. Da bin ich mir mit Barbara einig.«
Trevisan schloss die Augen. Für Dietmar war alles immer schon recht einfach gewesen. Schwarz war
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