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Das Lächeln der toten Augen

Titel: Das Lächeln der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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Wilhelmshavener Zeitung veröffentlichen. Der Text wird lauten: Heiner, alles Gute zum 90. Geburtstag – Simon.« Die Worte waren aus Zeitungsbuchstaben zusammengesetzt.
    Horst Kleinschmidt pfiff durch die Zähne. »Sieh an, ein kleiner Erpresser.«
    Trevisan schob den Brief zurück in die Plastikhülle. »Ich möchte wissen, ob noch andere Fingerspuren darauf zu sehen sind«, sagte er bestimmt.
    Wortlos ging er an den Feuerwehrmännern, den Polizisten und den beiden Männern vom Bestattungsunternehmen vorbei. Er kletterte an Bord des alten Feuerschiffes und kniete sich vor den Toten. Trevisan hob die Decke an und blickte in das bleiche und vom Schrecken verzerrte Gesicht des Jungen. Es schien so, als habe der Tod den ganzen Schmerz im Bruchteil einer Sekunde in den Zügen des Toten eingefroren.
    Trevisan amtete durch und ließ das Tuch sinken. Seine Gedanken kreisten um Sven Halbermann, der vor nicht einmal einer Woche mit einem Seil um seinen Hals vor ihm gelegen hatte. Trevisan richtete sich auf und blickte sich um. In der Ferne stand die hell erleuchtete Telefonzelle.
    »Brauchst du uns noch?«, rief ihm Horst Kleinschmidt zu, der ihm bis zum Schiff gefolgt war.
    Trevisan deutete in Richtung der Telefonzelle. »Ich brauche die Fingerabdrücke vom Hörer.«
    Kurz darauf setzte sich der weiße Transporter der Spurensicherung in Bewegung.
    »Oftmals ist die Routine das Gefährliche an unserem Beruf«, sagte Trevisan zu Dietmar Petermann, als die beiden Bestatter den Zinksarg an ihnen vorbei in den Leichenwagen trugen.
    Dietmar blickte Trevisan verwundert an. Inzwischen wusste auch er von dem Inhalt des Briefes. Dennoch war er bei seiner anfänglichen Theorie geblieben.
    *
    Die Farben blieben dunkel. Auch wenn das Grün anfangs noch hoffnungsvoll und erfrischend gewirkt hatte, so waren nun bedrohliche schwarze Schlieren darin zu sehen. Die Dunkelheit bahnte sich ihren Weg, je mehr die Oberfläche trocknete.
    »Nichts ist, wie es wirklich ist«, sagte der Grauhaarige. »Es ist vielmehr nur der Schein, den wir erblicken. Doch was ist darunter verborgen? Welche Gefahren lauern dahinter?«
    Der Mann im dunklen Anzug beobachtete, wie der Alte den Pinsel in die Farbe tauchte und einen Kreis auf die Leinwand zeichnete. Tiefrot. Rot wie Blut.
    »Es ist der rote Weg, der bleibt«, fuhr der Grauhaarige fort. »Das purpurne Mysterium, das unendliche Martyrium. Das letzte Opfer, das einem Bruder abverlangt werden kann. Das Feuer des Himmels hat uns verschont, der Pesthauch der Erde ist über uns hinweggezogen, ganz so wie es in der Prophezeiung stand. Doch die Feinde werden langsam übermächtig. Ich weiß nicht, warum. Wir haben doch getan, was uns von Garth aufgetragen wurde, dennoch bleiben uns diese Schritte nicht erspart. Er wird gehen und alles hinter sich lassen, das unsere Spur verrät.«
    Der dunkel gekleidete Mann nickte. »Er wird den Weg gehen.«
    »Bedenkt, achtet auf den Schein!«, mahnte der Alte, als sich der Mann im Anzug zum Gehen wandte. »Nichts ist, wie es wirklich ist. Sieh, was darunter verborgen ist, denn es darf nicht an die Oberfläche gelangen!« Die Stimme des Grauhaarigen klang hart wie ein Befehl.
    »Ich werde darauf achten«, erwiderte der Mann und verließ das sonnendurchflutete Zimmer.
    *
    Die Fischer hatten drei Stunden gewartet, ehe ein Kreuzer der Seenotrettung ihre Position erreicht hatte. Der verletzte Matrose war von einem Sanitäter versorgt worden. Unterdessen hatten sich zwei Taucher in die kalten Fluten gewagt. Auf der Seekarte waren keine Hindernisse, keine Untiefen und keine Riffe hier draußen am Süderhever verzeichnet. Trotzdem hatte sich das Schleppnetz der Nordstrand verheddert und den Trawler aus seiner Bahn geworfen. Es musste etwas Großes, etwas Gewaltiges dort unten auf dem Grund liegen. Dreißig Meter war das Wasser hier tief. Auf knapp fünfundzwanzig Meter hatten die Fischer die Kurrleinen ausgerollt. Nun standen sie am Heck ihres Schiffes und warteten, bis die Taucher wieder an die Oberfläche kamen.
    Der Seenotrettungskreuzer dümpelte nur wenige Meter neben ihrem Kutter. Scheinwerfer waren auf das Wasser gerichtet und erhellten die milchige Nacht. Auch an Bord des Kreuzers schien sich alles in das träge Warten ergeben zu haben. Plötzlich kam Bewegung in die Szenerie. Eine Seilwinde wurde in Gang gesetzt und eine Metallleiter in das Wasser gelassen. Dann durchbrach der erste Taucher die ruhige Oberfläche. Sofort griffen die Hände seiner Kollegen nach dem Mann im

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