Das Lächeln der toten Augen
habe nichts damit zu tun«, antwortete Tommy laut.
Trevisan blieb stehen. »Du kapierst es immer noch nicht richtig«, sagte er und baute sich vor dem Jungen auf. »Wir wissen längst von der Erpressung. Wir wissen auch, dass die Sache im Zusammenhang mit dem Selbstmord von Sven Halbermann steht. Außerdem ist Mike Landers nicht ganz freiwillig auf den Mast des Feuerschiffes im Hafen geklettert. Er wurde verfolgt, gejagt, wahrscheinlich wurde sogar auf ihn geschossen. Euer Clubhaus wurde durchsucht und verwüstet und das waren keine Stümper. Offenbar haben sie etwas Bestimmtes gesucht. Wahrscheinlich haben sie es noch nicht gefunden. Was glaubst du, denken die jetzt? Meinst du, die gehen einfach wieder nach Hause, schauen Fernsehen und legen sich ins Bett?« Trevisans Stimme klang eindringlich.
Der Junge blickte zu Boden. Trevisan konnte seine Angst förmlich riechen. Tommys ganze anfängliche Coolness stürzte in sich zusammen wie ein Kartenhaus.
»Ich habe ihn gewarnt. Wir haben ihn alle gewarnt. Wir haben nicht mitgemacht, da hat er es einfach alleine durchgezogen. Wir können nichts dafür!«
Der Damm hatte Risse bekommen, Trevisan musste ihn nur noch einmal kräftig erschüttern. Er ging zurück zu seinem Stuhl. »Habt ihr Halbermann gesagt, dass ihr mit der Sache nichts zu tun habt?«, sagte er, bevor er sich wieder setzte.
Tommy Wolff schaute ihn mit großen Augen an.
»Womit habt ihr ihn in der Hand? Warum diese Erpressung?«
»Das war alleine Mikes Sache.«
»Hoffentlich weiß Halbermann das auch, dann habt ihr ja nichts mehr zu befürchten, wenn Mike jetzt nichts mehr sagen kann, oder?«
Tommy Wolf überlegte.
Trevisan ging zur Tür und öffnete. Schweigend und erstaunt folgten ihm die Augen des Jungen. »Du kannst gehen«, sagte Trevisan. »Ich habe Besseres zu tun, als meine Zeit mit dir zu vergeuden.«
»Wieso … wieso gehen … ich …«, stammelte Tommy unsicher.
»Wenn du mit Halbermann einig bist und die Kerle, die hinter Mike her waren, Bescheid wissen, dass ihr mit der Sache nichts zu schaffen habt, dann kannst du sicherlich ruhig schlafen. Aber nimm dich vielleicht doch in der nächsten Zeit vor einsamen Plätzen, hohen Türmen und Masten und vor dunklen Tunneln in Acht. Vielleicht traut dir Halbermann nicht.«
»Mike hat Halbermann erpresst, weil Sven ihm einen Abschiedsbrief geschrieben hat«, flüsterte Tommy kaum hörbar. »Darin lagen ein Foto und ein Amulett, das Sven vor ein paar Monaten Maria geschenkt hat. Sven hat geglaubt, dass sein Vater für den Tod von Maria verantwortlich war. Mit der Erpressung sollte ihm nur Angst gemacht werden. Mehr nicht.«
Trevisan horchte auf. »Das musst du mir noch einmal von ganz vorne erzählen. Und wer ist Maria?«
*
Sie hatten sich alle im Konferenzraum versammelt. Auch Kriminaloberrat Beck saß überraschenderweise auf einem Stuhl und blickte neugierig auf Trevisan, der an der Stirnseite Platz genommen hatte.
»Ich habe euch zusammengerufen, weil wir unsere Vorgehensweise in diesem Fall abstimmen müssen«, sagte Trevisan und blickte in die Gesichter seiner Kollegen. »Wir müssen in Betracht ziehen, dass Mike Landers einer Art Auftragsmord zum Opfer gefallen sein könnte. Zumindest sollte er eingeschüchtert werden und einige Beweismittel herausgegeben, mit denen er den Industriellen Simon Halbermann erpresste.«
Kriminaloberrat Beck horchte auf. »Wie kommst du darauf? Gibt es denn Beweise dafür?«
»Vor etwa zwei Jahren holten sich die Halbermanns ein Au-pair-Mädchen ins Haus. Eine gewisse Maria Souza da Marques. Sie stammte aus Brasilien, genauer gesagt, aus einem Vorort von Rio, und war etwa im gleichen Alter wie Sven. Und wie es der Teufel wollte, funkte es zwischen Sven Halbermann und dem Mädchen. Die beiden verheimlichten ihre Liaison, weil sie genau wussten, dass Svens Vater gegen eine solche Beziehung sein würde. Doch irgendwie muss er es im letzten Herbst herausgefunden haben. Dann war das Mädchen plötzlich verschwunden. Svens Freunde und vermutlich auch Sven selbst gingen davon aus, dass Simon Halbermann das Mädchen einfach nach Brasilien abgeschoben hatte. Doch irgendetwas stimmte nicht. Sven schrieb unzählige Briefe nach Brasilien, die alle unbeantwortet blieben. Dann muss er irgendwann, kurz vor seinem Selbstmord, im Schreibtisch seines Vaters auf ein Kuvert gestoßen sein. Darin befanden sich der Schmuck, den er Maria geschenkt hatte, und ein Foto von dem Mädchen. Sie sah darauf aus, als wäre sie tot. Sie
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