Das Land am Feuerfluss - Roman
Leben in Kreisen verläuft. Wir kehren alle auf die eine oder andere Weise zu unseren Wurzeln zurück, findest du nicht?«
»Becky und ich haben uns gestern gerade darüber unterhalten«, sagte er. »Ich vermute, es liegt uns im Blut zu entdecken, wer wir sind und wohin wir gehören.« Er warf ihr einen spöttischen Blick zu, bevor er den Feldweg hinter sich brachte, der sie zum Farmhaus führen würde. »Obwohl ich mich nicht daran erinnern kann, dass du je nach Brisbane zurückkehren wolltest – oder nach Wales.«
»Hm. In Brisbane gibt es nichts für mich – im Übrigen habe ich dort nie hingepasst. Was Wales betrifft, so kann ich mich kaum daran erinnern. Ich war sieben, als meine Eltern mit mir nach Australien ausgewandert sind.« Sie faltete die Hände im Schoß. »Nein, hier gehöre ich hin. Etwas anderes brauche ich nicht.«
»Vielleicht ist Onkel Max deshalb zurückgekommen?«
»Kann sein«, stimmte sie zu. »Er war immer der Ruhigere; künstlerisch, freundlich und vollauf zufrieden mit sich selbst, solange er frei durch den Busch streifen konnte. Er ging zur Arbeit in die Stadt und versuchte, Interesse für seine Gemälde zu wecken, aber ich glaube nicht, dass er dort glücklich war. Dann kam der Krieg, und man hat ihn nach Gallipoli und Flandern geschickt. Danach war er nicht mehr derselbe.«
»Aber Dad war doch auch im Krieg. Wie kommt es, dass er nicht beeinträchtigt wurde?«
»Oh, das wurde er«, erwiderte sie. »Er spricht nur nie darüber. Der Krieg verändert alle Männer – selbst dich, Terence. Aber Max litt unter dem sogenannten ›Schützengrabenschock‹. Er ist für kurze Zeit nach Hause zurückgekehrt und ist dann auf Wanderschaft gegangen. Es dauerte einige Jahre, bis wir wieder von ihm hörten, aber am Ende hat er seine Zuflucht gefunden und sich damit zufriedengegeben, zurückgezogen im Waratah Forest zu leben.«
Terence konzentrierte sich auf den ausgefahrenen Weg, der hart wie Eisen war. Die Farmgebäude waren inzwischen als Konturen am Horizont zu sehen. Sie waren fast am Ziel. »Wenn er wie ein Einsiedler im Busch lebt, wie um alles in der Welt hat er dann Sal Davenport kennengelernt?«
Gwyneth kicherte leise. »Sal hat sich mir immer anvertraut, und ich wusste, sie musste ebenso Frieden finden wie Max. Daher habe ich sie ungefähr in die Richtung seiner Hütte geschickt, ohne ihr zu sagen, dass er mein Sohn ist, und den Rest dem Schicksal überlassen. Auch sie ist eine Künstlerin, verstehst du – und unter dem vielen Make-up und ihrem barschen Auftreten verbirgt sich eine zarte Seele.«
»Gute Güte, Gran! Ich erfahre heute Sachen, die ich mir nie hätte vorstellen können.«
»Tja, man darf ein Buch nicht nach dem Einband beurteilen, Terence«, sagte sie ein wenig schroff. »Menschen sind komplizierte Wesen, und was man sieht, erzählt einem nicht immer die ganze Geschichte. Fang an, die Schichten abzutragen, und du wirst häufig überrascht sein, was du vorfindest.«
Sie schwieg eine Weile, bevor sie fortfuhr: »Nimm Sandra zum Beispiel. Ich habe sie völlig falsch eingeschätzt. Sie ist offensichtlich eine bekümmerte junge Frau, die vom Wege abgekommen ist – doch nach dem heutigen Tag glaube ich wirklich, dass sie ein paar gute Eigenschaften hat – und die müssen gepflegt werden, Terence.«
Er schenkte ihr ein mattes Lächeln und tätschelte ihre Hand. »Ich bin froh, dass du so denkst, Gran. Ich habe Sandra immer geliebt, verstehst du, und natürlich werde ich ihr alle Pflege angedeihen lassen, die sie braucht.« Er stieg aus dem Wagen, um ein schweres Eisentor zu öffnen.
Sie fuhren hindurch und erblickten die Silhouette der Windmühle vor dem Himmel – und als sie näher kamen, entdeckten sie zwei Ponys, die unter Bäumen grasten.
Gwyneth war schon immer mit einem ausgezeichneten Sehvermögen gesegnet gewesen, und als die Scheinwerfer die Szene beleuchteten, kehrte die Angst wieder zurück. Sal lag neben einer stillen, in Decken gewickelten Gestalt auf dem Boden, und die Schnauze des roten Setters ruhte auf Max’ Brust.
Terence hielt an, ließ die Scheinwerfer an, nahm den Arztkoffer und stieg aus. »Bleib hier, Gran. Ich komme gleich wieder.«
Gwyneth öffnete die Tür und stieg unter Mühen aus, während Terence davoneilte. Sie zuckte zusammen, als sie ihr Knie anstieß, und musste sich schwer auf den Gehstock stützen. Sie gab sich die größte Mühe, ihr rasendes Herz zur Ruhe zu bringen und die Angst zu zerstreuen, dass es vielleicht zu
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