Das Land am Feuerfluss - Roman
Grauen entschieden beiseite und ließ Erinnerungen zu.
Sie war erst vier Monate mit Rhys verheiratet, als klar wurde, dass sie schwanger war. Gwyneth war das Geschlecht des Kindes gleichgültig, sie wusste aber, dass Rhys sich einen Sohn erhoffte.
Die Wehen dauerten lange und waren sehr schmerzhaft, sodass Rhys sich allmählich Sorgen machte. Er hatte versucht, sie zu überreden, für die Geburt zu ihren Eltern nach Brisbane zurückzukehren, doch sie hatte darauf bestanden, ihr Kind in Morgan’s Reach zur Welt zu bringen wie alle anderen Frauen des Ortes auch. Schließlich war ihr Mann der Arzt der Gemeinde, und wenn die eigene Ehefrau ihm nicht zutraute, sie sicher zu entbinden, dann würde ihm künftig niemand mehr etwas zutrauen.
Das Baby erschien schließlich mit trotzigem Geschrei, die kleinen Fäuste wütend erhoben, als wolle es den Kampf mit der Welt aufnehmen. Rhys strahlte, als er die Nabelschnur durchtrennte und seinen Sohn in die Höhe hielt, und Gwyneth verliebte sich von Neuem in ihren Mann, froh, dass sein Wunsch sich erfüllt hatte. Dann waren die Schmerzen zurückgekehrt, das dringende Bedürfnis, zu pressen – und noch ehe Rhys einatmen konnte, hatte sie ihm einen zweiten Sohn geboren.
Gwyneth erinnerte sich noch daran, dass sie und Rhys Tränen der Freude vergossen hatten, als er ihr die Zwillinge sanft in die Arme legte. »Zwei kostbare Geschenke hast du mir heute gemacht«, flüsterte er und küsste sie. »Du bist mein Liebling, meine geschätzte Frau, und ich werde dich immer lieben.«
Und er hatte sie bis zum letzten Atemzug geliebt – und in Momenten wie diesen fehlte er ihr am meisten. Dennoch hatte sie stets das Gefühl, dass er bei ihr sei, über sie wache und geduldig warte, bis sie zu ihm kommen wird. Und dieses Gefühl hatte sie in den finstersten Tagen aufrecht gehalten.
Sie schniefte und lächelte unter Tränen, während sie aus dem Fenster starrte, ohne etwas zu sehen. Hugh und Maximilian waren große Namen für so kleine Kinder, aber Rhys hatte sie ausgesucht, und sie hatte den berauschenden Augenblick nicht verderben wollen. Als ihr nächstes Kind geboren wurde, war das eine andere Geschichte, und sie argumentierte heftig gegen den steifen Namen Aurelia und bestand darauf, ihre Tochter Bethany zu nennen.
Gwyneth fühlte einen Anflug von Enttäuschung, die ihre Erinnerungen an Bethany immer begleitete. Auch bei deren Namen hätte sie Rhys nachgeben sollen. Der Name Bethany beschwor das Bild eines netten, weichherzigen Menschen herauf – das genaue Gegenteil ihrer Tochter. Aurelia wäre viel passender gewesen.
»Was ist los, Gran? Geht es dir nicht gut?«
Sie schnäuzte sich die Nase. »Doch, alles bestens. Ich dachte nur gerade an den Tag, als Max und dein Vater geboren wurden – und an deine Tante Bethany.«
»Ich habe natürlich von ihr gehört, kann mich aber überhaupt nicht mehr an sie erinnern«, sagte Terry, den Blick fest auf den Weg gerichtet.
»Das kann sein«, sagte sie schniefend. »Sie war ein Rowdy mit einem furchtbaren Naturell und sehr eigenwillig. Mit sechzehn ist sie von zu Hause weggegangen, weil die hellen Lichter von Sydney sie lockten, und sie ist nie zurückgekommen – und ich gestehe, sie hat mir nicht gefehlt. Vom Augenblick ihrer Geburt an hat sie nichts als Ärger gemacht.«
Sie bemerkte Terrys erschrockenen Gesichtsausdruck und erkannte, dass sie ihre Tochter wohl zu heftig verurteilt hatte. »Ich nehme kein Blatt vor den Mund, und wenn Bethany hier wäre, dann wäre sie nicht gekränkt. Sie und ich sind nie miteinander ausgekommen.«
»Das ist sehr traurig«, murmelte Terry.
»So spielt das Leben. Nur weil man Mutter ist, bedeutet das noch lange nicht, dass man seine Kinder mögen muss, wenn sie das Kleinkindalter hinter sich haben.« Sie putzte sich noch einmal die Nase. »Aber wenigstens hat sie am Ende etwas richtig gemacht. Vor ein paar Jahren ist meine Enkelin hier aufgekreuzt. Und sie hat sich als starke, furchtlose, schwer arbeitende junge Frau erwiesen, von der ich mit Stolz behaupten kann, dass sie keine Ähnlichkeit mit ihrer Mutter hat.«
Er pfiff leise. »Und wer ist dieser Ausbund an Tugend, von dessen Existenz ich bis heute nichts wusste?«
»Millicent Cooper. Sie ist mit William verheiratet, der die Schafe bei Big Mac unter sich hat. Du wirst sie bald kennenlernen, wenn du hierbleibst. Ihr fünftes Kind ist jeden Moment fällig.« Nachdenklich kaute sie auf der Unterlippe. »Komisch und zugleich wunderbar, wie das
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