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Das Land am Feuerfluss - Roman

Das Land am Feuerfluss - Roman

Titel: Das Land am Feuerfluss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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steckten in hellgelb gestreiften Socken; Hemd und Hose waren von einer riesigen geblümten Schürze bedeckt, deren Latz unbeholfen mit dem Schriftzug »Mum« bestickt war. Eine seiner Schwestern hatte sie vor vielen Jahren in der Schule für ihre Mutter gemacht. Hugh hatte sie hinten in einem Küchenschrank entdeckt und fand sie ideal für Dannys Geburtstagsfrühstück.
    Danny trug frische Shorts und ein Hemd. Gesicht, Knie und Hände waren gewaschen, das Haar glänzte noch immer feucht. Seine Augen leuchteten vor Aufregung, sein sommersprossiges Gesicht strahlte erwartungsvoll, als er sich an den Tisch setzte. »Grandpa kocht mir ein besonderes Frühstück«, sagte er und ließ sich von seiner Mutter auf die Wange küssen und die Haare raufen. »Heute gibt’s Rührei mit Speck.«
    Rebecca verspürte eine riesige Erleichterung. Offensichtlich hatte Danny sich entschieden, diesen Tag zu genießen, und die Stimmung vom Vorabend war gebannt. Erstaunlich, wie robust und wandelbar Kinder sein konnten. »Ein besonderes Frühstück für einen besonderen Jungen«, erklärte sie und reichte ihm ihr Geschenk. »Alles Gute zum Geburtstag, mein Schatz.«
    »Danke, Mum. Was ist es?«
    Sie kicherte. »Mach auf und sieh nach!«
    Er riss das Papier auf, sah das Bild einer Modelleisenbahn auf einer Schachtel der Firma Hornby und betrachtete es ehrfürchtig. »Mann! Das ist die Lok mit den Güterwagen, die ich mir gewünscht habe, um meine Sammlung zu vervollständigen. Danke, Mum.«
    Rebecca begegnete dem Blick ihres Vaters, als er einen großen Teller mit Eiern auf den Tisch stellte, sich die störenden Federn aus dem Gesicht strich und die Augenklappe geraderückte. Er zwinkerte ihr zu. »Du und Grandpa, ihr könnt euch damit amüsieren, während ich zur Arbeit gehe und Grandma Jane ein wenig Schlaf nachholt«, sagte sie.
    Danny fuhr liebevoll mit den Fingern über die druckgegossenen Modelle. »Nur wenn Grandpa verspricht, dass ich ausnahmsweise mal die Signale bedienen darf und wir die Spur so legen, wie ich es will«, brummte er.
    Rebecca kicherte, als ihr Vater einen Schmollmund zog. »Bestimmt. Und jetzt esst euer Frühstück! Das ist der letzte Speck, bis der Versorgungslaster kommt.«
    »Ich hoffe nur, der Sturm bricht erst los, wenn er hier ist«, sagte Jane und gähnte laut. »Der Laden hat fast nichts mehr, und wenn der Regen einsetzt, wird die Straße unpassierbar.«
    »Wir brauchen den Regen«, rief Hugh ihr ernst ins Gedächtnis und ließ sich das Frühstück schmecken.
    »Wir brauchen Zucker, Tee, Mehl und tausend andere Sachen«, gab sie zurück. »Und wenn der Lastzug nicht durchkommt, werden wir uns wohl von Luft und Liebe ernähren.«
    »Mir fehlt die Zeit, in der die Afghanen immer mit ihren voll beladenen Kamelen vorbeikamen, die Geschirre verziert mit bunten Troddeln und klingenden Glöckchen. Diese modernen Armeelaster, die bis zu drei riesige Anhänger von fünf Metern Länge ziehen, sind nicht halb so romantisch.«
    Hughs Augen nahmen einen verträumten Ausdruck an, und Rebecca tauschte einen wissenden Blick mit ihrer Mutter. Dad hing einer seiner Erinnerungen nach, und obwohl sie seine Geschichten bereits Dutzende Male gehört hatten, gestaltete er sie stets interessant, und Danny liebte sie.
    »Wir nannten sie Afghanen, aber sie stammten nicht alle von dort«, erzählte er. »Manche kamen aus Belutschistan, Kaschmir, Ägypten oder Persien – exotische Namen von fernen Orten, die wir nur aus Büchern kannten und uns an Gewürze, Palmen, Goldpaläste und die lange Reise der drei Könige denken ließen, die dem Stern von Bethlehem gefolgt sind.«
    Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück; das Frühstück war vergessen. »Ich weiß noch, als ich ein Junge war, liefen wir immer auf die Straße und beobachteten ehrfürchtig, wie sie langsam und majestätisch in die Stadt einzogen. Das war ein eigenartiger, mystischer Anblick: diese dunkelhäutigen Männer mit scharfem Blick, in lange, fließende Gewänder oder weite Hosen gekleidet, die sich an den Fußgelenken bauschten. Früher steckten gebogene Dolche in Schärpen um ihre Taille, und die Juwelen an den Griffen glitzerten in der Sonne. Wir Jungen hätten uns ein Bein ausgerissen, um so einen Dolch zu besitzen, wenn wir nur den Mut aufgebracht hätten, diese grimmig wirkenden Männer danach zu fragen.«
    Er lächelte seine Zuhörer an und griff nach Messer und Gabel. »Manche trugen verzierte Kappen, andere hatten bunte Turbane, von denen dunkle Perlen bis zu

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