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Das Land am Feuerfluss - Roman

Das Land am Feuerfluss - Roman

Titel: Das Land am Feuerfluss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Zunge und spürte die Körner auf der Haut. Wenigstens hatte der Wind aufgehört, doch die Hitze nahm zu. Dabei war es noch früh am Morgen.
    Sie erreichte das große Haus, das die Bürger dreißig Jahre zuvor für den wunderbaren alten Pfarrer und seine Familie gebaut hatten. Gwyneth hatte keine Skrupel, zu dieser frühen Morgenstunde an eine Tür zu klopfen. Die Sonne erschien am Horizont, und nur Sünder und Trunkenbolde lagen zu dieser Stunde noch im Bett.
    Frances Baker öffnete die Tür einen Spaltbreit und spähte nervös hinaus; ihre grauen Augen und das bleiche Gesicht trugen die Spuren einer schlaflosen Nacht und womöglich tiefer Sorge. »Mrs Morgan«, flüsterte sie und zog den Morgenrock um die magere Brust. »Ist etwas passiert?«
    »Ja«, sagte Gwyneth. »Und ich bin nicht bereit, zwischen Tür und Angel mit Ihnen darüber zu sprechen. Ist der Reverend zu Hause?«
    Frances’ Miene wurde starr, ihr Blick ängstlich. »Er zieht sich gerade an«, erklärte sie nervös. »Und es ist viel zu früh, um ihn zu stören.«
    Gwyneth ließ sich jedoch nicht abwimmeln. Obwohl ihr diese schlecht gekleidete kleine Frau leidtat, war sie ungehalten über deren mangelndes Rückgrat. Sie legte die Hand an die Tür, drückte sie auf, und noch ehe die andere ihr Einhalt gebieten konnte, stand Gwyneth in der großen Diele.
    Frances zerrte an ihrem Morgenmantel, als hinge ihr Leben davon ab. »Bitte, Mrs Morgan, Gwyneth, regen Sie ihn nicht auf! Ihm geht es heute Morgen nicht so gut.«
    »Warum? Was ist los mit ihm?«
    »Ich kümmere mich um die Sache, Frances. Geh und richte das Frühstück fertig an!« Reverend Baker machte eine gute, gebieterische Figur, als er in schwarzem Anzug und auf Hochglanz polierten Schuhen die Treppe herunterkam. Er war Ende vierzig, und seine strengen grauen Augen betrachteten Gwyneth unter buschigen Brauen hervor. Er zog die Taschenuhr aus der Weste und schaute demonstrativ darauf.
    »Sie können aufhören, hier den großen Max zu spielen«, fuhr Gwyneth ihn an. »Das beeindruckt mich nicht. Sind Ihre Jungs zu Hause?«
    Er kniff die Augen zusammen, und sein Blick nahm etwas Wachsames an. »Warum wollen Sie wissen, wo meine Jungen sich aufhalten?«
    »Sind sie nun hier oder nicht? Die Frage ist doch nicht so schwer.«
    »Ich habe nicht vor, auch nur eine Ihrer Fragen zu beantworten, Mrs Morgan, und ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie jetzt auf der Stelle gingen.«
    »Hat Bob Freeman gestern mit Ihnen Kontakt aufgenommen?«, fragte sie abrupt.
    »Ja, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich nicht wieder in meine Angelegenheiten mischen würden. Meine Söhne haben nicht die höchste Schulbildung erhalten, nur um als Landarbeiter zu schuften.«
    »Demnach haben Sie sein Angebot abgelehnt?« Sie wartete nicht auf eine Antwort – sie sah es ihm an. »Sie verdammter Narr! Die Jungs geraten außer Kontrolle, und eine gute Portion ehrlicher Arbeit hätte ihnen gutgetan. Wo sind sie jetzt?«
    »Sie sind weg«, sagte Frances schüchtern von der Küchentür aus. Das stumpfe Haar hing ihr in Strähnen ins Gesicht, und sie knetete die Hände.
    »Halt den Mund, Frau!«, brüllte der Reverend.
    »Aber ihre Betten sind unbenutzt«, wagte sie fortzufahren, »und bei dem furchtbaren Gewitter letzte Nacht fürchte ich um ihr Leben. Wir sollten wenigstens Jake anrufen oder –«
    Reverend Baker packte seine Frau am Arm, woraufhin sie zusammenfuhr. »Sei still, Frau! Ich lasse nicht zu, dass so über unsere Angelegenheiten gesprochen wird.«
    »Das ist auch nicht nötig«, sagte Gwyneth scharf und stieß mit dem Gehstock auf den gebohnerten Boden. »Ihre Frau herumzukommandieren macht die Sache für Ihre Jungs auch nicht besser.«
    Er ließ den Arm seiner Frau los und drehte sich zu Gwyneth um. »Raus aus meinem Haus!«, rief er, zwei rote Flecken auf den Wangen, die Augen vor Wut funkelnd.
    »Das Haus gehört nicht Ihnen, sondern der Gemeinde. Und ich gehe, wann ich es für richtig halte.« Gwyneth hielt seinem zornigen Blick stand. Er jagte ihr keine Angst ein. Sollte er wagen, ihr auch nur ein Haar zu krümmen, würde sie mit ihrem Gehstock zuschlagen.
    Wie alle Tyrannen knickte Reverend Algernon Baker ein, wenn man ihn so behandelte wie er andere. Seine Aufgeblasenheit und Wut verpufften unter ihrem zornigen Blick. »Was geht es Sie an, wohin meine Jungen verschwunden sind?«
    »Anscheinend werden sie vermisst – ebenso wie der Wagen meines Enkels. Mit zwei Benzinkanistern im Kofferraum sind sie

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