Das Land am Feuerfluss - Roman
Sie klammerte sich ans Geländer und schaute ängstlich die Straße entlang auf der Suche nach jemandem, der ihr helfen könnte. Doch die Straße war menschenleer.
Gwyneth holte tief Luft und humpelte weiter; das Blut sickerte langsam auf die Bluse und durchnässte die Hose. Allmählich wurde ihr schwummrig, und ihre Hand zitterte, als Gwyneth das Tor erreichte und versuchte, den Riegel aufzuschieben.
Eine schnelle Bewegung fiel ihr auf, und sie blinzelte verschwommen in die Richtung. Sandra war auf die Veranda hinausgetreten, elegant in einer gut sitzenden Hose und einer frischen weißen Bluse. Aber sie war offenbar auf etwas am anderen Ende der Straße konzentriert.
Gwyneth konnte nicht laut rufen, und ihr verzweifeltes Klagen war zu leise, um auf die Entfernung gehört zu werden. Deshalb schlug Gwyneth mit dem Gehstock gegen das Metall des Gartentors.
Endlich drehte Sandra sich zu ihr um, schützte die Augen mit ihrem breitkrempigen Hut vor der Sonne und wunderte sich wohl, was um alles in der Welt Gwyneth dort machte.
Gwyneth wedelte mit dem Stock und schlug wieder gegen das Metall. Zu ihrer Verärgerung schien Sandra entsetzlich schwer von Begriff zu sein, und ihr kam es wie eine Ewigkeit vor, bis diese die Veranda verließ und über die Straße schlenderte.
Sandra riss die Augen weit auf, als sie näher kam, und die letzten Schritte rannte sie. »Gwyneth, was ist denn bloß passiert?«
Gwyneth schaute zu ihr auf und brachte nur ein gurgelndes Geräusch zustande. Sie fühlte sich schwach und kämpfte dagegen an, denn sie wollte nicht wie ein Häufchen Elend vor Sandra zusammenbrechen. Sie wies mit dem Stock auf das Krankenhaus.
Sandra öffnete das Tor und legte einen Arm um Gwyneths Taille. »Stütz dich auf mich«, sagte sie ruhig, »und geh nur nicht zu schnell. Ich bringe dich hin.«
Gwyneth kam sich vor wie eine alte Närrin, als sie über die Straße humpelte, aber sie war dankbar für Sandras kräftige Unterstützung und dafür, dass es der anscheinend nichts ausmachte, dass ihre saubere Bluse mit Blut beschmiert wurde.
»Terence!«, rief Sandra, als sie sich der Treppe näherten. »Terence, ich brauche Hilfe. Und zwar schnell!«
Gwyneth war der Meinung, dass Sandra mit dieser Kommandostimme einen ausgezeichneten Feldwebel abgegeben hätte. Auf jeden Fall zeigte der energische Ton Wirkung.
Terence war nur einer von vielen, die auf der Veranda auftauchten. Er warf nur einen einzigen Blick auf Gwyneth, bevor er sich zwischen den anderen hindurchdrängelte und seine Großmutter vorsichtig hochhob, um sie ins Behandlungszimmer zu tragen. Sacht legte er sie auf die Untersuchungsliege und bellte Sandra Befehle zu.
»Schale, heißes Wasser, Mull und Schere – Nadel, Faden und eine Dosis Morphium gegen den Schmerz.« Er deutete auf einen verschlossenen Schrank und reichte ihr den Schlüssel. »Da drinnen findest du alles.«
Gwyneths Gesicht berührte er nicht, doch seine Miene war besorgt. »Darum kümmere ich mich gleich«, sagte er. »Was zum Teufel hast du bloß gemacht, Gran? Du siehst aus, als hättest du zehn Runden im Boxring hinter dir.«
Gwyneth fühlte sich auch so. Vor Schmerz ganz benebelt sah sie, wie Sandra sich geschickt im Behandlungszimmer bewegte. Offensichtlich hatte sie ihre Fähigkeiten nicht ganz vergessen, denn als Terence die Hose aufschnitt und sich der Wunde am Knie zuwandte, hatte Sandra stets das richtige Instrument zur Hand, und die Behandlung verlief reibungslos.
»Du hast Glück gehabt, der Knochen ist nicht gebrochen, Gran«, murmelte er, als er die Wunde reinigte. »Zwei Stiche sollten genügen, aber das Knie wird trotzdem eine Weile blau und geschwollen bleiben. Du solltest es ruhig halten.« Zärtlich berührte er ihre Knie. »Sieht so aus, als hättest du da auch eine leichte Arthritis.«
Sie zuckte die Achseln. Damit hatte sie zu leben gelernt. Als Sandra ihrem Mann eine Subkutanspritze reichte, schloss sie die Augen und wartete darauf, dass eine besänftigende Taubheit sie durchströmte.
Nachdem Terence das Knie verarztet hatte, berührte er ihren Unterkiefer. Gwyneth riss die Augen weit auf und schrie vor Schmerz laut auf.
»Verzeih, Gran«, sagte er. »Der sieht so aus, als wäre er ausgerenkt. Wir brauchen eine Röntgenaufnahme, um sicherzugehen, dass keine Fraktur vorliegt. Mir ist so, als hätten wir vor Jahren ein Röntgengerät gehabt –« Er wandte sich an Sandra, die ruhig und systematisch aufräumte. »Wirfst du bitte mal einen Blick in den OP
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