Das Land am Feuerfluss - Roman
zitterte. »Sie kommen«, keuchte er. »Ich kann die Geschütze hören – die Granaten –, die Schreie der Sterbenden im Schlamm. O Gott, sei gnädig!«
Heiße Tränen rannen Sal über das Gesicht. Sie drückte Max an sich und versuchte sich die Szenen vorzustellen, die sich in seinem Kopf abspielten, während der Donner weiterhin die Erde erschütterte. Sie wusste kaum etwas über seine Vergangenheit, doch die wenigen Worte hatten ihr eine Vorstellung davon vermittelt, was ihn wohl quälte. Max war so alt, dass er an dem sogenannten »Krieg aller Kriege« teilgenommen hatte. War er in Gallipoli und Ypern an der Front gewesen und Zeuge der Schrecken in den Schützengräben geworden – wie so viele junge Australier seiner Generation?
Wo er auch gewesen sein mochte, es war klar, dass er diesen Horror gerade noch einmal durchlebte, der ihn an den Rand des Wahnsinns trieb. Sal fehlten die Worte, ihn zu trösten, sie hatte keine Erfahrung im Umgang mit solch lähmendem Entsetzen. Sie konnte ihn nur festhalten und beten, dass das Gewitter bald aufhören möge.
Ben hatte den Versuch aufgegeben, vom Turm aus Wache zu halten. Jetzt im Dunkeln war es unmöglich, durch die schweren Wolken und den wirbelnden Staub etwas zu sehen.
Er hatte es sich in einem Sessel am Funkgerät bequem gemacht, konnte sich aber nicht entspannen. Die Nacht war zu stürmisch, das Gewitter zu heftig, als dass er schlafen oder lesen könnte. Wenigstens würde das Wetter Danny und Billy zu Hause halten, aber spätestens morgen müsste er Becky von dem Lager erzählen, dass die beiden in der Höhle eingerichtet hatten.
Das Knacken aus dem Funkgerät wurde begleitet vom Heulen des Windes, tiefem Donnergrollen und zischenden Blitzen. Ausnahmsweise verstopften die Bewohner der Farmen die Funkkanäle einmal nicht mit ihren üblichen Plaudereien, aber das Knacken war fast so nervtötend wie das über ihm tobende Unwetter.
Ben erwog gerade, sich eine Tasse Tee und ein Sandwich mit Hammelfleisch zu machen, als etwas durch die atmosphärischen Störungen drang. Die Stimme war schwach, und zuerst glaubte er, sie sich eingebildet zu haben, doch als er das Gerät einstellte und genau hinhörte, wurde ihm klar, dass er sich nicht geirrt hatte.
»Ich kann dich hören, Jake«, sagte er, bemüht, den heulenden Wind zu übertönen. »Was gibt’s?«
»Keine Spur von den Zwillingen oder ihrem Vater«, antwortete Jake, dessen Stimme über Funk deutlicher und wieder schwächer wurde. »Aber der Laster ist da und wird mindestens so lange hierbleiben, bis das Gewitter nachgelassen hat. Ich habe bei Annie deine übliche Bestellung aufgegeben, aber wenn du noch etwas anderes willst, musst du herkommen.«
»Danke, Kumpel. Ich würde mich allerdings freuen, wenn du morgen herkommen könntest. Ich halte es nicht mehr lange ohne Schlaf aus.«
»Wohl wahr. Komme so schnell wie möglich.«
»Wie geht’s Django?«
»Noch immer krank, aber auf dem Weg der Besserung. Dürfte morgen wieder gesund sein.«
Sie wechselten noch ein paar Worte und trennten dann die Verbindung, denn sie wussten, dass der Sturm draußen im Never-Never Verwüstungen anrichten und jemand versuchen könnte, sie zu erreichen.
Um sich zu beschäftigen, schlenderte Ben in den Küchenbereich und setzte eine Kanne Tee auf. Er konnte den Kaffee nicht ausstehen, der abgestanden und bitter schmeckte, und brauchte etwas, um sich wach zu halten.
Er hatte sich gerade ein Sandwich mit Corned Beef gemacht, als die atmosphärischen Störungen erneut unterbrochen wurden. »Hier spricht die Wilga-Farm. Bist du da, Ben?«
Er eilte ans Funkgerät, sein Mund war plötzlich trocken, sein Puls ging schneller. »Ja, Dad. Was ist los?«
»Zwei meiner Fährtenleser haben die Jungs gefunden«, erklärte er. »Die verdammten Bengel haben sich verirrt und sind am Ende im Graben gelandet. Haben verdammt Glück gehabt, dass sie noch leben.«
»Brauchen sie medizinischen Beistand?«
»Denen geht’s gut«, sagte Bob schleppend. »Was ich von dem Wagen nicht gerade behaupten kann. Wir behalten sie hier, bis das Gewitter vorüber ist.«
»Wie sieht es denn bei euch da draußen aus?«
»Wind, Staub und Gewitter. Wir haben die Luken mit Latten vernagelt und Rinder, die wir einfangen konnten, in die Pferche gebracht. Alle Tiere, die noch draußen auf den Ebenen sind, müssen einfach damit klarkommen. Ende der Durchsage.«
Nachdem er Jake über die Zwillinge in Kenntnis gesetzt hatte, trank er seinen Tee und aß das
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