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Das Land am Feuerfluss - Roman

Das Land am Feuerfluss - Roman

Titel: Das Land am Feuerfluss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Zeit den Hut vom Kopf gefegt, und er trottete nun mit dem Jackett über dem Kopf dahin. Es sollte ihn vor dem scheuernden Sand schützen, der von allen Seiten auf ihn eindrang. Der Reverend glaubte weit hinter sich gedämpfte Explosionen gehört zu haben, hatte sie aber als Donnerschläge abgetan. Das Gewitter kam deutlich näher, und ohne die Spur einer Zuflucht und ohne Hoffnung auf Rettung fühlte er sich hier draußen mitten in der Walachei sehr verwundbar.
    Seine Beine waren schwer wie Blei, sein Kopf pochte von einem heftigen Schmerz, der ihn benebelte und Übelkeit verursachte. Dennoch wagte er nicht, seinen entsetzlichen Durst zu löschen, denn er hatte keine Ahnung, wie lange er hier draußen sein würde. Obwohl seine Gedanken kreisten, hielt er den Blick fest auf den Weg gerichtet, bemüht, die Furcht zu überwinden. In der Dunkelheit konnte er seine Uhr nicht erkennen, aber er hatte das Gefühl, schon stundenlang zu laufen.
    Algernons Unbehagen und seine fieberhaften Gedanken schürten seine Verwirrung und Angst nur noch. Er hatte darauf gebaut, dass die Landstraße befestigt sei, und obwohl er sich vage daran erinnerte, über diese holprige Piste gefahren zu sein, war er sicher, dass es nur wenige Meilen gewesen waren. Wo blieb die Asphaltstraße nur – die sollte er doch inzwischen erreicht haben?
    Der nächste Donnerschlag ertönte direkt über ihm. Er erschrak zu Tode und stolperte, knickte um und fiel zu Boden, wobei er sich Schulter und Hüfte verstauchte und einen Ellbogen aufscheuerte. Er rollte sich zusammen, das Herz schlug ihm bis zum Hals, drehte dem Wind den Rücken zu und drückte die kostbaren Wasserbeutel an die Brust, während es über ihm blitzte und donnerte.
    Er war gefangen im Mahlstrom aus Lärm und peitschendem Sand. Die Dunkelheit legte sich über ihn, und der heulende Wind zerrte an seiner Kleidung. In seinem gequälten Geist erlebte der Reverend den Weltuntergang, den er so oft von der Kanzel herab prophezeit hatte, und er duckte sich angesichts der Naturgewalten in der Gewissheit, sterben zu müssen.
    Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis der Donner sich verzog und nur noch in der Ferne grummelte. Algernon wartete, auf dem Boden liegend, bis das verzweifelte Bedürfnis nach Wasser ihn wach rüttelte. Seine Finger fummelten an dem Verschluss des leichteren Beutels. »Nicht zu viel«, murmelte er. »Ich muss stark sein und darf nicht alles trinken.«
    Das Wasser schmeckte abgestanden, doch der erste Schluck war wie Nektar. Er behielt ihn im Mund, was die Trockenheit von Zunge und Lippen minderte, bevor er ihn gierig schluckte, noch ein wenig mehr trank und spürte, dass der Kopfschmerz und die Übelkeit nachließen. Er setzte den Beutel noch einmal an, schwor sich, dass es das letzte Mal sei, aber auf der Zunge landete nur ein Tropfen. Verblüfft starrte der Priester auf den Beutel, schüttelte ihn und probierte es noch einmal. Er war leer. Angewidert warf er den Beutel von sich, rollte sich erneut vor dem Wind zusammen, umklammerte den letzten, kostbaren Wasserbehälter und schloss die Augen. Er würde sich bis zum ersten Tageslicht ausruhen.
    Der Mann, der sich als John Miller ausgegeben hatte, fand im Busch, in einem tiefen, trockenen Flussbett, Zuflucht. Die Gefahr von schäumendem Flutwasser war gering, denn der Gewittersturm zeigte keinerlei Hinweis auf Regen.
    Unter dem Schutz überhängender Äste legte er einen Steinkreis und zündete ein kleines Feuer an. Als das Wasser im Feldgeschirr köchelte, warf er ein wenig Tee hinein, gab ein Eukalyptusblatt hinzu und aß ein paar Kekse von Frank, solange der Tee zog.
    Er starrte in die Flammen und fragte sich, welche Geschichten Frank und sein Beifahrer in diesem Moment wohl gerade auftischten. Es war riskant gewesen, auf sie zuzugehen, doch in Ermangelung von Wasser und Nahrung war ihm nichts anderes übrig geblieben. Ein durchziehender Fremder würde die Einwohner von Morgan’s Reach bestimmt in Alarmbereitschaft versetzen – und das musste er um jeden Preis vermeiden; aber das war nicht so schwer; der Ort lag fernab von ausgetretenen Pfaden, und er kannte die Umgebung ringsum.
    Er goss den Tee in seinen Zinnbecher und atmete den duftenden Dampf ein, während seine Gedanken sich dem Mann zuwandten, dessen Identität er für die kurze Begegnung mit Frank angenommen hatte.
    John Miller war ein guter Kumpel gewesen; sie hatten die Härte der Ausbildung, die Schrecken des Dschungelkriegs und die Entbehrungen des

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