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Das Land am Feuerfluss - Roman

Das Land am Feuerfluss - Roman

Titel: Das Land am Feuerfluss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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kletterte schließlich aus dem tiefen Flussbett, in dem er Unterschlupf gefunden hatte. Der Waldboden war mit Ästen und Zweigen übersät, die der Sturm abgerissen hatte, doch die Tiere suchten bereits eifrig nach Nahrung. Flinke Ameisen marschierten wie Soldaten aus ihren kegelförmigen Hügeln, Käfer krabbelten über Blätter, und Spinnen webten komplizierte Netze, die zitterten, wenn er vorüberging. Hätte es Tau gegeben, dann würden sie wie Juwelen funkeln, aber an diesem Morgen war keine Feuchtigkeit in der Luft, sondern nichts als heißer Staub.
    Als er den Busch verließ und ins offene Land hinaustrat, wurde er plötzlich von dem dichten roten Staub eingehüllt, der noch immer über der Landschaft schwebte. Als der Dunstschleier flirrte, konnte er die schwarzen Basaltberge von Morgan’s Reach als Silhouette am fernen Horizont erkennen. Er war fast zu Hause.
    Algernon Baker schlug die Augen auf und starrte in die dämonischen gelben Augäpfel eines prähistorischen stacheligen Geschöpfs mit gespaltener Zunge und langem Schwanz. Mit einem ängstlichen Aufschrei wich er zurück.
    Das Tier zischte ihn wütend an, bevor es in einer Staubwolke verschwand.
    Das war nur eine dieser Echsen, wurde dem Reverend klar, aber wahrscheinlich giftig, wie fast alles hier draußen in dieser gottverlassenen Gegend, daher war er glücklich davongekommen.
    Sein Herz schlug noch immer, während er sich die wunden Augen rieb und sich wachsam nach glitschigen oder zischelnden Geschöpfen umsah. Dass Schlangen sich mit Vorliebe ein warmes Bett mit Menschen teilten, war allgemein bekannt. Aber offenbar hatte der Sturm sie in ungefährlichere Verstecke getrieben, und mit einem Seufzer der Erleichterung betrachtete Algernon seine Umgebung.
    Der Staub lag wie ein schimmerndes rotes Leichentuch rings um ihn herum. Träge stieg so etwas wie Rauch auf, doch er konnte keine Spur von einer Farm entdecken – geschweige denn die Teerstraße. Er versuchte die Angst zu unterdrücken, aber sein Herz pochte heftig, und das Atmen und erst recht das Denken fielen ihm schwer. Er wusste nur, dass er sich verirrt hatte und sein Durst größer war denn je.
    Er griff nach dem letzten Wasserbeutel und beschränkte sich sorgsam auf eine kleine Menge. Er behielt die Flüssigkeit auf der Zunge, spürte, wie sie den trockenen Gaumen benetzte, bis er nicht länger widerstehen konnte und schluckte. Das Wasser schmeckte zwar warm und muffig, trotzdem war es Nektar, und er musste die gesamte Willenskraft aufbringen, nicht mehr davon zu trinken; seine Hände zitterten, als er den Beutel entschlossen zuschraubte. Das war alles, was er für den Weg nach Hause hatte. Unterwegs würde er zweifellos auf Bohrlöcher und Wassertröge stoßen, aber das mineralreiche Wasser, das tief aus der Erde kam, verursachte Bauchkrämpfe, Übelkeit und Durchfall, und er war bereits geschwächt.
    Soeben stieg die Sonne über den Horizont, verbreitete jedoch nur sehr wenig Licht wegen des Dunstes, der nach Algernons Empfinden eigenartig nach Rauch und Eukalyptus roch. Er tat dies als Einbildung ab – als geistige Verwirrung infolge der unglücklichen Umstände und seiner Überreiztheit.
    Er kramte in der Jackentasche nach dem großen weißen Taschentuch, das er immer bei sich trug, und wischte sich sorgfältig den Sand aus den Augen, die schmerzhaft kratzten, wenn er blinzelte.
    Algernon zerknüllte das schmutzige Taschentuch in der Faust, veränderte die Haltung auf dem steinigen Grund und versuchte aufzustehen. Ein Keuchen drang über die aufgesprungenen Lippen, als ein Schmerz wie ein Pfeil durch sein Bein schoss. Sein Knöchel war geschwollen, und er konnte den Fuß kaum belasten. Verzweifelt betrachtete er den Fuß, Tränen der Frustration und Wut stiegen ihm in die Augen. Das war ungerecht. Das hatte er nicht verdient. Warum wurde er nach allem, was er durchgemacht hatte, bestraft?
    Er leckte die Tränen von den Lippen, schmeckte bitteres Salz und Sand – wenigstens hatten sie seinen gequälten Augen Erleichterung verschafft. Aber wie sollte er nur die Straße finden, wenn er nicht laufen konnte? Gott stellte ihn auf die Probe, forderte Entschlossenheit und Stärke. Doch er, Algernon, würde ihm zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt war.
    Sein Stolz ließ es nicht zu, sich geschlagen zu geben. Algernon unterdrückte die Tränen und kam vorsichtig auf die Beine. Der Schmerz im Fußgelenk war auszuhalten, doch er vermutete, dass er – ebenso wie die Schwellung bei der

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