Das Land am Feuerfluss - Roman
schüchtern auf Abstand gehen. Er war so ein einsamer, ein geplagter Mensch, und ihn mit ihren Gefühlen zu belasten, würde wahrscheinlich ihrer wunderbaren Beziehung ein Ende setzen. Und die durfte keinesfalls gefährdet werden.
Nachdem Sal Kaffee gemacht und den großen Topf Haferbrei aufgewärmt hatte, den er immer neben dem Herd stehen hatte, wusch sie sich und wechselte die Unterwäsche. Sie hatte sich wieder im Griff, als er in die Hütte zurückkehrte. »Ich dachte, ich gehe heute runter an den Fluss und male«, sagte sie gewollt beiläufig, als er sich an den Tisch setzte.
Er konzentrierte sich auf seinen Haferbrei. »Da unten gibt es nicht viel zu sehen. Der Fluss ist fast ausgetrocknet.« Er steckte sich einen Löffel voll Brei in den Mund, den Blick fest auf die Schüssel gerichtet. »Schätze, es ist besser, wenn du nach Morgan’s Reach zurückkehrst, nachdem das Gewitter jetzt vorüber ist.«
Mit klopfendem Herzen schaute sie ihn über den Tisch hinweg an. »Schick mich nicht fort, Max!«, bat sie sanft.
Da blickte er auf, seine Miene war undurchdringlich. »Besser, wenn du fährst. Da noch weitere Gewitter in Aussicht sind, könnte es ungemütlich werden, und ich will nicht, dass sich die letzte Nacht wiederholt.«
»Ich möchte aber bleiben«, erklärte sie rasch. »Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass du das alles allein durchstehst, und wenn ich auch nur ein wenig helfen kann, dann –«
»Ich brauche dein Mitleid nicht, Sal«, entgegnete er barsch. »Ich will einfach nur allein gelassen werden, um damit so zurechtzukommen, wie ich es am besten kann.« Er seufzte tief und ließ den abkühlenden Haferbrei stehen. »Tut mir leid«, murmelte er, »aber ich will nicht, dass du mich so siehst. Fahr nach Hause, Sal!«
Sie blinzelte, um die Tränen zu unterdrücken. »In Morgan’s Reach gibt es nichts für mich, Max. Ich möchte hierbleiben und mich um dich kümmern, so wie du dich immer um mich gekümmert hast.« Sie ergriff seine Hand und hielt sie fest, als er versuchte, sie ihr zu entziehen. »Du weißt alles über mich, Max, aber ich weiß kaum etwas von dir – und ich möchte, dass du mit mir redest, dass du die hohen Mauern einreißt, die du um dich herum errichtet hast, und mich einlässt.«
Er ließ den Kopf hängen, die hellen, mit silbrigen Strähnen durchsetzten Haare fielen über sein Gesicht. »Du bist noch jung. Du würdest es nicht verstehen.«
»Ich bin zweiundvierzig – so jung bin ich auch nicht mehr.« Sie lächelte schief. »Und ich will es verstehen. Bitte, Max, teil deine Sorgen mit mir, was auch immer dich bekümmert.«
Er zog die Hand fort und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Aus den haselnussbraunen Augen betrachtete er sie mit einer Intensität, der sie entnahm, dass es ihm schwerfiel zu entscheiden, was er tun sollte. Sie wartete, zwang ihn kraft ihres Willens, seine natürliche Zurückhaltung zu überwinden und ihr Vertrauen zu schenken.
»Ich bin über fünfzig«, sagte er schließlich. »Ein alter Mann, festgefahren, ein halber Krüppel, der zu überwältigenden Panikattacken neigt. Ich habe mich entschieden, hier draußen allein zu leben, denn im Lauf der Zeit bin ich der Grausamkeiten überdrüssig geworden, die die Menschen sich untereinander zufügen können. Ich hasse ihren Lärm, ihre Menge und ihre blutrünstige Kriegslust. Nur hier kann ich Frieden finden.«
Sal sah ihm an, dass es ihm nicht leichtfiel, spürte aber instinktiv, dass er reden und die Schleusentore für das Entsetzen und die angestauten Ängste öffnen musste, um geheilt zu werden. »Auch ich habe hier Frieden gefunden«, sagte sie, »und die Chance, ich selbst zu sein – aber nur, weil du mich in deine Welt gelassen und mir so großzügig deine Wärme und dein Mitgefühl geschenkt hast. Jetzt möchte ich dir die Chance geben, deinen Kummer loszuwerden – und ich glaube, du bist dazu bereit, Max. Wirklich.«
Er neigte den Kopf. Der Hund stupste Max am Ellbogen und leckte ihm die Hand, als könne er verstehen, dass sein Herrchen mit heftigen Empfindungen rang.
Sal beobachtete wie Max’ starke, tüchtige Hände über den Kopf und die seidigen Ohren des Tieres fuhren. Sie sehnte sich danach, Max zu trösten, ihn in den Armen zu halten und ihm zu gestehen, dass sie ihn liebe ungeachtet seines Alters und seines verkrüppelten Beins. Aber sie wartete still auf seine Entscheidung.
Das Schweigen zwischen ihnen dehnte sich, und Sal fragte sich, ob der Kampf, den Max innerlich
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