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Das Land am Feuerfluss - Roman

Das Land am Feuerfluss - Roman

Titel: Das Land am Feuerfluss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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gesehen hatte. Dennoch fühlte er sich nutzlos und besiegt.
    Als der Tag zu Ende ging und der Wind nur noch seufzte, trat Big Mac auf die Veranda, den kleinen, selbstgezimmerten Sarg in den Armen. Die lange Prozession, die ihm auf den Friedhof der Farm folgte, war ein Beleg für den anhaltenden Respekt und den Gemeinschaftssinn, den diese Familie im Lauf der Jahre erworben hatte, denn die Männer und Frauen, die auf Carey Downs und den Farmen im Umkreis arbeiteten, waren mit Lastwagen, zu Pferd und in Fuhrwerken gekommen; die schwarzen Fährtensucher und Jackaroos in Begleitung ihrer Frauen und Kinder. Selbst Bob Freeman und seine Familie hatten den weiten Weg aus Wilga zurückgelegt, um dem Kind die letzte Ehre zu erweisen. Und obwohl die Beziehung zwischen ihm und Big Mac angespannt war, würdigten sie einander mit einem Kopfnicken.
    Der Friedhof lag einsam, weit hinter dem Farmgebäude am Rand des Busches. Umgeben von einem verwitterten Lattenzaun, markierten die Marmorsteine und Holzkreuze die Ruhestätten aller, die nach einem Leben auf Carey Downs gestorben waren. Als Big Mac neben dem Grab stand, den Sarg in den Armen, wirkte er wie aus Stein. Die schweigende Versammlung beobachtete, wie er die Kiste in die Erde senkte, sichtlich bemüht, die Fassung zu bewahren.
    Mit belegter Stimme las Hugh aus dem Gebetbuch vor, das er immer im Wagen mitführte, in Gedanken bei der untröstlichen Maeve. Ihre vier anderen Kinder klammerten sich aneinander; Tränen rannen still über ihre Gesichter, während sie die schwerste Lektion überhaupt lernten: Der Tod kommt nicht immer sanft daher – und er trifft Jung und Alt gleichermaßen.
    Als Hugh das Gebetbuch schloss, hob Big Mac seine Frau wieder auf die Arme und trug sie stumm zum Haus zurück. Die Kinder trotteten hinter ihm her.
    Bob Freeman und seine Familie brachen wieder nach Wilga auf. Sie würden nicht zum Leichenschmaus bleiben. Doch der Rest der Versammlung begab sich langsam vom Friedhof zum Küchenbau, um dem chinesischen Koch und dessen Sohn beim Auftragen des Essens und der Getränke zu helfen, die jeder mitgebracht hatte.
    Hugh spürte den Schmerz in der Brust, steckte die Hände in die Hosentaschen und beobachtete, wie die beiden einheimischen Farmarbeiter Erde auf den Sarg schaufelten und schwere Steine darüberlegten, um Dingos abzuhalten. Er schluckte eine Tablette und blieb noch eine Weile stehen, nachdem die Männer sich dem gedämpften Leichenschmaus im Küchenbau angeschlossen hatten. Hughs Gedanken trieben dahin wie der Sand, der über den Friedhof stob. Zu oft schon hatte er den Tod erlebt, doch er berührte ihn jedes Mal – besonders wenn ein Kind gestorben war. Schließlich ließ Hugh den Tränen freien Lauf.
    Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Nachdem die Tränen versiegt waren und er seine Gefühle wieder unter Kontrolle hatte, gewahrte er ein fernes Geräusch, das er zunächst nicht einordnen konnte. Er schaute sich um und bemerkte plötzlich, wie dunkel es geworden war. Ein schwacher Wind wehte, die Wolken, kurz zuvor noch rötlich gefärbt, waren nun grau und wabernd.
    Ein tiefer Atemzug bestätigte Hughs schlimmste Befürchtungen: Das war kein Staub, der ihn da umgab, sondern Rauch.
    Mit hämmerndem Herzen rannte er zum Küchenbau und zog wie wild an der Glocke im Freien. »Feuer! Feuer!«, rief er.
    Die Menschen strömten aus der Küche, den Scheunen und dem Farmgebäude herbei. Alle zugleich folgten mit Blicken Hughs Zeigefinger – und alle erstarrten gleichermaßen. Der Himmel über dem Busch am südlichen Rand von Carey Downs war eine brodelnde, grau-schwarze Masse, von den in den Baumwipfeln flackernden Flammen orangerot gefärbt.
    Big Mac setzte sich als Erster in Bewegung, erteilte lauthals Befehle, denen die Männer im Eiltempo Folge leisteten. Er lief auf Hugh zu. »Wir müssen die Frauen und Kinder hier rausbringen«, sagte er unumwunden. »Die Aufgabe übertrage ich Ihnen.«
    Bevor Hugh antworten konnte, rannte Big Mac bereits zum Farmgebäude. Bestimmt wollte er die Feuerwehr alarmieren. Hugh wusste, dass keine Zeit zu verlieren war. Er wandte sich an die Frauen, die noch immer vor dem Küchenbau umherliefen. »Treibt eure Kinder zusammen und versammelt euch drüben an den Lastwagen und Fuhrwerken. Fahrt nicht auf eigene Faust los! Ich bin gleich wieder da.«
    Ohne ihre hektischen Fragen zu beantworten, lief er zum Farmhaus. Maeve und ihre Kinder waren auf der Veranda versammelt, zusammen mit den einheimischen

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