Das Land am Feuerfluss - Roman
erklärte er, nachdem sie ihm von Danny berichtet hatten. »Ich Jungen suchen, muss aber hierbleiben, bis Boss zurückkommen.«
»Ich übernehme das Funkgerät«, erklärte Rebecca rasch.
»Du wirst im Krankenhaus gebraucht, sobald Verletzte eingeliefert werden«, rief ihre Mutter ihr sanft ins Gedächtnis. »Dein Vater und Terry sind da draußen – und allein schaffe ich das nicht.«
Rebecca wollte schon protestieren, als Emily geschäftig den Raum betrat, den Mischlingshund des Schmieds an der Leine. »Ich übernehme«, sagte sie entschieden. »Die Leute haben Schwierigkeiten zu verstehen, was Django sagt. Außerdem ist er als Fährtenleser viel nützlicher.«
»Jetzt mal halblang, Miss Emily. Mein Englisch gut.«
»Geh einfach!«, sagte sie mit der festen Stimme, die ihre eher widerspenstigen Schüler nur allzu gut kannten.
Django hörte die Autorität in ihrer Stimme, sprang vom Stuhl und griff nach seinem Hut. »Erst sprechen Billy Blue«, nuschelte er. »Der wissen was, ganz bestimmt.«
»Aber ich habe schon mit ihm geredet«, wandte Rebecca ein.
Django tippte sich an die Nase. »Der sprechen besser mit mir. Keine Sorge, Missus! Django finden Jungen und bringen nach Hause.«
Gegen zwei Uhr nachmittags entdeckte der Mann, der sich John Miller genannt hatte, einen Jungen auf einem Fahrrad und beobachtete aus seinem Versteck im Tal heraus, wie der auf der Fernstraße an ihm vorüberfuhr. Er hatte sich tief in den Schatten einer Baumgruppe zurückgezogen. Was machte der Junge nur so weit außerhalb? Und warum hatte er es so eilig? Aber da es ihn nichts anging, zog er den Hut tief in die Stirn, um den heißesten Teil des Tages zu verschlafen.
Doch trotz der verzehrenden Müdigkeit konnte er nicht schlafen, und nach einer unruhigen Stunde gab er es auf. Er saß nur da, den Rücken an den stabilen Stamm eines Zimtahorns gelehnt, die Beine an die Brust gezogen, die Augen unter der breiten Hutkrempe geschlossen. Sein Gewissen plagte ihn.
Der Junge war viel zu klein, um allein so weitab von jeglicher Zivilisation unterwegs zu sein, und er hatte nichts unternommen, ihn aufzuhalten. Vielleicht steckte das Kind in Schwierigkeiten – vielleicht lief es vor etwas davon. Jedenfalls, wenn es sein Sohn wäre, würde er sich wünschen, dass jemand nach ihm sucht.
Beim Gedanken an seinen Jungen, der inzwischen im selben Alter sein dürfte, atmete er einmal tief ein und zog ein zerknittertes Schwarz-Weiß-Foto aus der Hemdtasche. Er hatte es während der unerbittlichen Ausbildung und im Dschungel immer bei sich getragen. Es war das Einzige, was er vor seinen Häschern hatte verbergen können, die einzige Verbindung zu seiner Heimat – und eine stete Erinnerung an das, wofür er kämpfte und warum er überleben musste.
Er betrachtete das Bild und fuhr sanft mit dem Finger über die verblassten Gesichter seiner Frau und seines Kindes, die ihm in jenem längst vergangenen, erstarrten Moment zulächelten. Sein Schweiß und die Feuchtigkeit im Dschungel hatten ihre Gesichtszüge nahezu ausgelöscht, die Knicke und der eingeriebene Schmutz erschwerten es, Einzelheiten zu erkennen. Aber er wusste, dass seine Frau an jenem Tag ihr bestes Baumwollkleid getragen hatte und dass der hübsche Kamm, der ihre Haare zurückhielt, rosafarben war – und dass die Stupsnase seines fünfjährigen Sohnes mit Sommersprossen übersät war.
Gerade hatte er das Foto wieder sicher in der Hemdtasche verstaut, als er den unverwechselbaren Lärm eines Pick-ups auf der Straße hörte. Er blieb ganz still sitzen, in der sicheren Gewissheit, dass er in den getupften Schatten unter den Bäumen in Deckung war.
Der Wagen fuhr schnell; der einzige Insasse konzentrierte sich auf die Straße. Angesichts des roten Kreuzes, das auf der Wagenseite aufgemalt war, fragte der Beobachter sich, ob es weiter unten auf der Straße einen Unfall gegeben habe – oder ob der Fahrer nach seinem Sohn suche.
Er schaute auf die Uhr. Mehr als zwei Stunden waren vergangen, seitdem er den Jungen gesehen hatte, aber bei der Geschwindigkeit würde der Fahrer des Pick-ups ihn bestimmt bald einholen. Zufrieden mit dem Lauf der Dinge rutschte er am Stamm weiter nach unten und schlief endlich ein.
Die Schatten unter dem Laubdach wurden größer, machten den Wald dunkel und ziemlich abschreckend, und Sal war sich der verstreichenden Zeit nur allzu bewusst. Ihre Kehle war vom Rufen wund. Sie war zum Wagen zurückgekehrt und hatte sich mehrmals minutenlang auf die Hupe
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