Das Land am Feuerfluss - Roman
sich die Argumente für und gegen eine Rast im Dorf angehört, und ihm war unbehaglich gewesen bei dem Gedanken, diese freundlichen Menschen einem Risiko auszusetzen, nur weil seine Männer müde waren und etwas Anständiges zu essen brauchten. Er wollte schon den Befehl erteilen, dass alle sich zurückziehen und den langen Weg zurück zum Hauptquartier antreten sollten, als ein kleiner Junge aus dem Dschungel auftauchte und aufgeregt auf ihn einredete.
Schon bald waren er und seine Männer umzingelt von eifrigen Kindern, misstrauischen Kriegern mit Speeren und neugierigen Frauen, die scheu lächelten, zur Begrüßung die Hände anmutig aneinanderlegten und den Kopf senkten. Der Zweifel, ob es klug sei, was sie taten, nagte noch immer an ihm, aber offenbar war er mit seiner Skepsis in der Minderheit. Daher ließ er sich bereitwillig ins Dorf führen, als der kleine Junge seine Hand nahm.
Er sah es im Traum und hörte die piepsige Stimme des kleinen Hakim so deutlich, als wäre er erst vor Stunden dort gewesen, nicht vor einigen Jahren. In der Mitte des Dorfes befand sich ein schilfgedecktes Langhaus, in dem alle aßen und schliefen. Es lag zum Schutz vor Überschwemmungen hoch, auf dicken Pfählen, und der einzige Zugang war eine Bambusleiter. Gepflegte Reetfensterläden bedeckten die zahlreichen Fenster, und komplizierte Schnitzereien zierten beide Seiten der Tür.
Man begrüßte ihn und seine Männer mit Schüsseln voller Fisch und Reis, welche die Frauen vom Lagerfeuer holten, während die Männer versuchten, über Handzeichen und Rollenspiele mit ihnen zu kommunizieren. Ihre Kinder fummelten an den Messingknöpfen der Uniformen und an den Uhren herum und kreischten vor Begeisterung, wenn sie die Stoppeln und Backenbärte dieser eigenartigen Fremden berührten.
Sie blieben länger als beabsichtigt, denn die Gesellschaft war angenehm, die Kinder waren reizend und der Reiswein stark. In dieser kleinen Oase konnte man leicht vergessen, warum sie dort waren, und sie dachten auch nicht mehr an die Gefahren, die im dampfenden Dschungel ringsum stets lauerten.
Hakim war ungefähr sieben oder acht Jahre alt – das war schwer zu sagen, weil die Einheimischen alle kleinwüchsig waren im Vergleich zu den ungeschlachten, großen Australiern, die um ihr Lagerfeuer saßen – und er war ihm aufgefallen, weil er mit einem Stück Seil Zauberkünste vollbringen konnte. Er versuchte gerade die komplizierten Schlingen und Formen beim Fadenspiel nachzuahmen, als der Dschungel vor Bewegung und Lärm zu explodieren schien.
Instinktiv drückte er den Jungen und dessen Mutter zu Boden und schützte sie mit seinem Körper, griff nach seinem Gewehr und feuerte in die Reihen der japanischen Soldaten, die aufgetaucht waren und sich dem Dorf näherten.
Doch sie waren umzingelt, die Speere der Einheimischen nutzlos gegen den Hagel aus feindlichen Geschossen – und er hörte die Schritte hinter sich erst, als es bereits zu spät war. Er drehte sich halb herum, sah, dass ein Gewehrlauf auf seinen Kopf zielte und hatte keine Zeit, sich zu verteidigen.
Als er wieder zu sich kam, stellte er fest, dass zwei seiner Männer tot dalagen und dass er und die anderen angeschlagenen und blutenden Überlebenden des Trupps an Händen und Füßen aneinandergekettet waren. Er sah alles nur verschwommen und hatte das Gefühl, sein Schädel sei gespalten. Aber als sich der Nebel vor seinen müden Augen schließlich lichtete und er wieder bei Sinnen war, wünschte er sich, nie aufgewacht zu sein. Denn angesichts der Szene vor ihm gefror ihm das Blut in den Adern.
Die furchtlosen einheimischen Krieger hatten tapfer gekämpft, um ihre Familien zu beschützen, doch ihre Speere und Messer waren Geschossen und Bajonetten nicht gewachsen. Der Stammesführer und seine Krieger lagen tot neben den Frauen, den Älteren und den kleinen Kindern, die sie nicht hatten beschützen können. Die verängstigten Überlebenden, Frauen und Kinder, wurden über die Bambusleiter hinauf in das Langhaus getrieben.
Im Schlaf wusste er, was kommen würde, und er bewegte sich unruhig, weil er davor zurückschrak und die Fesseln abstreifen wollte, die ihn an diesen Augenblick banden. Doch die Bilder hatten sich tief in seine Erinnerung eingeprägt und kehrten mit Macht zurück.
Die japanischen Soldaten hatten die Bambusleiter beiseitegetreten und warfen nun brennende Stöcke aus dem Gemeinschaftsfeuer auf das trockene Schilfdach und in den Eingang. Sie machten einen
Weitere Kostenlose Bücher