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Das Land der lebenden Toten

Das Land der lebenden Toten

Titel: Das Land der lebenden Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Gilgamesch, den Sohn des Lugalbanda, in der Stadt Uruk und heißen ihn willkommen, und ebenso seine Freunde. Ich bin der Erzvezier Ur-ninmarka, Diener des Königs Dumuzi, dessen Gäste ihr seid.«
    »Dumuzi?« fragte Gilgamesch erstaunt.
    »Ja, des Königs in Uruk.«
    »Jener, der vor mir herrschte, als wir noch auf der Erde lebten?«
    Ur-ninmarka hob bedauernd die Schultern. »Davon weiß ich nichts. Ich war ein Mann aus Lagash im einstigen Land, und Uruk war weit entfernt. Aber Dumuzi ist hier der König, und er hat mich ausgeschickt, dich zu begrüßen und zu deinen Gemächern zu geleiten. Heute abend wirst du mit ihm und den Großen der Stadt dinieren.«
    Dumuzi, dachte Gilgamesch und wunderte sich. Erinnerungen aus seinem ersten Leben strömten viel klarer als die an seine Geschicke in der Nachwelt in ihn zurück.
    Dumuzi! Dieser bedauernswerte Schwächling! Dieses mörderische Schwein! Es ist bestimmt der gleiche, dachte er, denn hier geschieht immer wieder, was bereits geschehen ist. Also war Dumuzi wieder einmal König in Uruk, jener gleiche Dumuzi, der im alten Leben aus Furcht vor Gilgamesch, dem Sohn des Lugalbanda, den er für seinen Rivalen hielt, obwohl er erst ein vierzehnjähriger Junge war, Mordbuben gegen ihn ausgesandt hatte, die ihn töten sollten. Doch dieser Anschlag schlug fehl, und am Ende war es Dumuzi, der aus der Welt verschwand, und Gilgamesch bekam den Thron. Zweifellos, vermutete Gilgamesch, fürchtet er mich immer noch. Und wird ein zweites Mal seine Hinterlist an mir versuchen. Manche Dinge ändern sich eben niemals, dachte er. So ist das in der Nachwelt. Wie Dumuzi schmerzlich erfahren wird, falls er wieder üble Pläne hegte.
    Laut sagte er: »Ich bin entzückt, die Gastfreundschaft eures Königs zu genießen. Bitte sagt ihm das.«
    »Das werde ich.«
    »Und sagt ihm auch, daß er noch zwei weitere Gäste hat: Simon, den Herrscher der großen Stadt Brasil, und seinen Premierminister, Herodes von Judäa, die meine Reisegefährten sind.«
    Ur-ninmarka verneigte sich.
    »Noch eins«, fuhr Gilgamesch fort. »Ich nehme doch an, daß in dieser Stadt viele Bürger des Landes Sumer leben.«
    »Sehr viele, edler Herr.«
    »Kannst du mir sagen, gibt es hier einen gewissen Enkidu, einen Mann von meiner Körpergröße und sehr kräftig und ganz behaart am Leibe wie ein Tier der Wildnis? Ein Mann, von dem man weiß, er ist mein Freund, den zu suchen ich hergekommen bin?«
    Die nackte Stirn des Erzveziers furchte sich. »Das kann ich dir nicht sagen, edler Herr. Aber ich will Erkundungen einholen, und du wirst heute noch einen Bericht erhalten, wenn du im Palast speisen wirst.«
    »Ich danke dir«, sagte Gilgamesch.
    Doch sein Herz wurde schwer. Enkidu war also wohl doch nicht hier; denn wieso sollte Ur-ninmarka es nicht erfahren haben, wenn ein gewaltiger kraftstrotzender behaarter Riese wie Enkidu in die Stadt gekommen war? In der ganzen Nachwelt gibt es keine Stadt, die so groß wäre, daß Enkidu daselbst kein Aufsehen erregen würde, dachte er, und mehr als nur neugieriges Aufsehen!
    Doch er behielt dies für sich. Er winkte Simon und Herodes aus dem Landrover und sagte weiter nichts zu ihnen als: »Alles steht zum besten. Heute abend sind wir Gäste auf einem Bankett von Uruks König.«
     
     
    Jedenfalls schien Dumuzi die Dinge mit Stil zu tun. Für seine Besucher hatte er luxuriöse Suiten in einer prächtigen Herberge hinter dem Haupttempel angeordnet, einem massigen Gebäude, das aussah, als sei es aus einem einzigen schwarzen Granitblock gehauen. Im Innern gab es Fontänen, Arkaden, derart viele Standbildnisse, daß man sich kaum bewegen konnte, ohne gegen irgend etwas zu stoßen, riesenhafte Götterfiguren mit starr blickenden Augen in gefältelten Kleidern nach dem Alten Stil, und gigantische purpurbelaubte Palmbäume, die in großen vielseitigen Pflanzkübeln aus einem schimmernden rötlichen Stein wuchsen, der wie Rubin leuchtete. Vielleicht waren es ja Rubine. Gilgamesch sah, wie Simon einen der Kübel liebevoll begrapschte, als berechnete er bereits, wie viele hundert eigroße Steine daraus zu brechen sein könnten.
    Die Reisenden bekamen separate palastwürdige Räume angewiesen, mit einem seidenbezogenen breiten Bett, einer im Boden eingelassenen alabasternen Badewanne und einem Spiegel, der leuchtete wie ein Fenster zum Paradies. Selbstverständlich stimmten in der ganzen Perfektion ein paar Kleinigkeiten nicht, es kam kein heißes Wasser aus den Hähnen, und ein Trupp

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