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Das Land der lebenden Toten

Das Land der lebenden Toten

Titel: Das Land der lebenden Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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unangenehm aussehender dickbäuchiger pelziger Insekten mit smaragdenen Augen zog beständig über die Decke in Gilgameschs Gemach, und als er sich auf seinem Bett ausstreckte, gab dieses endlose Jammerlaute von sich, als hätte er sich auf lebendige Wesen gelegt, die dagegen protestierten. Nun ja, es war hier die Nachwelt. Hier rechnete man sowieso bei allem und überall mit Unvollkommenheiten, und man bekam sie prompt serviert. Aber alles in allem war ihre Unterbringung kaum zu überbieten.
    Wie aus dem Nichts erschien ein Halbdutzend Diener und half Gilgamesch bei seinem Bad und salbte ihn mit Duftölen und kleidete ihn in einen weißen Rock aus Baumwollplissé im sumerischen Stil, der seinen Oberkörper unbedeckt ließ. Nach einer Weile pochte Herodes an seine Tür, und auch er war sumerisch gekleidet, allerdings trug er noch immer die schimmernden italischen Lederschuhe, statt der Sandalen, und auf dem Kopf die kleine jüdische Yarmulke-Kappe. Die dunklen Kraushaare schimmerten von Pomade.
    »Na?« fragte er und stolzierte auf und ab. »Sehe ich aus wie ein Prinz aus dem Lande Sumer, Gilgamesch?«
    »Du siehst aus wie ein Gockel wie immer. Und außerdem noch dazu ein ziemlich spilleriger. Deine Toga verdeckte wenigstens die Schwabbelarme und die dürre Brust.«
    »Ach, Gilgamesch, wozu brauche ich Muskeln, wenn ich hier was habe?« Er klopfte sich auf den Kopf. »Und solange ich den kühnen König Gilgamesch habe, der mich gegen Übeltäter beschützt?«
    »Aber werde ich dich schützen?«
    »Aber gewißlich wirst du das.« Herodes lächelte. »Ich tue dir leid, weil ich die ganze Zeit auf meinen klugen Verstand angewiesen bin und mich nur damit verteidigen kann. Nein, du wirst dich schon um mich kümmern. Es liegt nicht in deinem Charakter, jemanden wie mich in Gefahr kommen zu lassen. Außerdem, du brauchst mich.«
    »Ach ja?«
    »Ja. Du hast zu lange im wilden Outback gelebt. Dir hängen Strohhalme im Haar.«
    Automatisch griff sich Gilgamesch tastend an den Kopf.
    »Nein. Doch nicht wörtlich, du dummer Affe!« Herodes lachte. »Ich meinte bloß, daß du zu lange von allem weggewesen bist. Du hast mich nötig, damit ich dir die Realität klarmache. Du begreifst die moderne Welt nicht mehr. Du streunst durch die Wildnis und spielst den edlen genügsamen Helden, wogegen an sich nichts einzuwenden wäre, aber du hast dich einfach nicht darum gekümmert, was in der Nachwelt in der letzten Zeit so vorgegangen ist. In den Moden, der Musik, der Kunst, in der neuen Technik.«
    »Das alles ist für mich unwichtig. Mode? Und Musik? Musik ist in meinen Ohren nichts weiter als scheppernder Lärm. Bestenfalls banales Zeug, meistens sogar noch schlimmer. Kunst, das ist hier Dekoration, bedeutungslos. Und was diese neue Technik angeht, von der du sprichst, die ist eine Schande und ein Frevel. Ich verabscheue sie alle, diese Erfindungen der Später Toten.«
    »Verachte sie, soviel du magst, aber sie sind da und werden bleiben. Diese Neuen Toten sind uns zahlenmäßig tausend zu eins überlegen, und jeden Tag kommen mehr von ihnen her. Man kann sie nicht einfach ignorieren. Auch nicht ihre Technik.«
    »Ich kann.«
    »Das denkst du vielleicht. Ein Bogen und eine Hand voll Pfeile, das genügt dir, ja? Aber du schreckst vor Dingen zurück, die du nicht erfassen kannst. Du preschst einfach weiter und immer weiter so, und meistens wirst du auch ziemlich gut mit Schwierigkeiten fertig, aber im Grunde hast du keine Ahnung, worum es geht, und früher oder später rennst du einmal in eine Sache hinein, die sogar für dich zu gewaltig ist. Ich dagegen habe mich auf dem laufenden gehalten, was die moderne Entwicklung betrifft. Ich kann dich durch alle Fährnisse und Fallgruben führen. Ich bin auf der Hut, Gilgamesch, ich weiß, was vorgeht. Ich halte Verbindung zu allem. Zur politischen Entwicklung, beispielsweise. Hast du mehr als einen nebelhaften Schimmer von der augenblicklichen Lage? Von den wahrhaft spektakulären Umwälzungen, die sich gerade jetzt ereignen?«
    »Ich gebe mir alle Mühe, nicht daran zu denken.«
    »Hältst du es für sicher, so den Kopf in den Sand zu stecken? Was da drüben am anderen Ende der Nachwelt sich ereignet, kann schreckliche Auswirkungen auf die hiesigen Abläufe haben. Das hier ist nicht mehr die uralte Welt, in der es ewig und einen halben Monat dauerte, bis Nachrichten aus Rom bis nach Syrien gelangten. Weißt du, was ein Radio ist? Ein Telefon? Ein Mikrowellenrelais? Ob es dir paßt oder nicht,

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