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Das Land des letzten Orakels

Titel: Das Land des letzten Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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Doktor.«
    »Wir brauchen keine perfekte Stadt«, sagte er mit leiser, aber leidenschaftlicher Stimme. »Wir wollen keine uralten Verträge oder großen Pläne. Wir wollen bloß hier leben, ohne ein Symbol oder eine Figur auf einem Schachfeld zu sein.« Er lächelte. »Wir wollen bloß Menschen sein.«
    Lady Astrea antwortete nicht. Sie schaute an Theo vorbei und ließ ihren Blick über die Porträts der ehemaligen Direktoren schweifen, die von den Wänden des erhabenen alten Büros herabstarrten.
    Alle im Raum hielten den Atem an. Die Eintreiber hielten ihre Schwerter bereit.
    Und Lady Astrea traf ihre Entscheidung.

KAPITEL 27
    Worte
    Mark trat erneut gegen den kleinen Holzstuhl in der Höhle. Als dieser gegen die Wand prallte, zersplitterte er endgültig.
    Lily blickte von dort, wo sie auf dem Boden saß, auf. »Das hilft uns auch nicht weiter«, murmelte sie erschöpft.
    »Es hilft dir nicht weiter«, korrigierte Mark sie. »Mir geht es damit definitiv besser.«
    Er stampfte wie wild auf dem einen Stuhlbein herum, das noch an der Sitzfläche hing, und kam nicht umhin, einen Funken Genugtuung zu verspüren, als es unter seinem Tritt abbrach. Er kochte immer noch innerlich, und es bedurfte seiner ganzen Selbstbeherrschung, sich nicht auf die Wand zu stürzen und sie mit den Fäusten zu bearbeiten, bis diese bluteten.
    Es ging ihm nicht nur darum, dass er seiner Gefühle beraubt worden war, und auch nicht darum, wie traumatisch ihre plötzliche Wiederkehr gewesen war. Sicher, sie waren zunächst überwältigend gewesen, so intensiv, dass er wie ein Verrückter hätte schreien wollen, als ihn die Wächter in diese Höhle zerrten. Doch diese Wut nun fühlte sich realer an, obwohl er gar nicht so recht wusste, auf wen er wütender sein sollte, auf Snutworth oder auf sich selbst.
    Er wollte glauben, was Lily gesagt hatte, nämlich dass er keine Wahl gehabt hatte und ohne seine Gefühle nicht imstande gewesen war, überhaupt etwas zu empfinden. Aber ein Trost war das nicht. Er hatte Snutworth hierhergeführt. Er hatte ihm zu dieser Macht verholfen. Alles war seine Schuld.
    Er fühlte sich missbraucht. Er hatte bereits versucht, seine Frustration an den Wachen auszulassen, doch diese waren kräftig und hatten ihn, mit angewiderter Miene, weil sie ihn dabei berühren mussten, rasch wieder in die Höhle zurückbefördert. Er war der Länge nach hingefallen und hatte nun eine hässliche Beule auf der Stirn.
    Er packte das Stuhlbein und wog es in der Hand. Andere Möbel gab es in der Höhle nicht, doch dieses Stück wirkte stabil.
    »Vielleicht könnte ich mich an sie heranschleichen …«, begann er.
    »Dann kannst du sie vielleicht umhauen«, fügte Lily hinzu. »Und dann? Snutworth hat dieses ganze Land unter seiner Kontrolle!«
    »Toll! Einfach nur toll …«, knurrte Mark und schleuderte das Stuhlbein zu Boden. »Und was schlägst du vor?«
    »Vielleicht einen Moment nachdenken?«, erwiderte Lily säuerlich.
    »Meinst du etwa, wir haben etwas übersehen?«, fragte Mark sarkastisch. »Ist dir aufgefallen, mit wem wir eine Zelle teilen?« Er wies auf die andere Seite der Höhle hinüber.
    Auf dem Fußboden hockte das ehemalige Orakel, die Knie bis ans Kinn hochgezogen. Nicht auf dem Thron sitzend und fern des geheimnisvollen Lichts in ihrer Kammer funkelte ihr Kleid nun nicht mehr. Es wirkte schwer und plump wie ihre Glieder. Ihre Augen waren auf etwas weit Entferntes gerichtet.
    »Wir sitzen gemeinsam mit der Quelle allen Wissens im Gefängnis«, sagte er, nun ein wenig ruhiger. »Und irgendwie habe ich das Gefühl, als wäre dieses Stuhlbein hier von größerem Nutzen.«
    »Sie kann uns nicht helfen«, sagte Lily mit brechender Stimme. »Sie weiß nicht, wie.«
    Mark überfielen Schuldgefühle. Weil ihn die Macht seiner gerade erst wieder zurückgekehrten Gefühle überwältigt hatte, hatte er keine Gelegenheit gehabt, innezuhalten und darüber nachzudenken, was diese Erlebnisse bei Lily auslösten. Es war ihre Mutter, die dort saß. Endlich verbrachten die beiden Zeit miteinander, aber keiner von ihnen sagte ein Wort. Was war nur mit ihm los? Das Mindeste, was er tun konnte, war Lily zu trösten.
    Stattdessen bekam er erneut einen Wutanfall und ballte die Fäuste. Ob Snutworth ihm all seine Gefühle zurückgegeben hatte? Ihm war immer noch ein wenig sonderbar zumute. Er steckte die Hände in die Jackentaschen und zog die Glasfläschchen heraus, die er vom Boden aufgehoben hatte. Die meisten waren leer, doch eine

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