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Das Land des letzten Orakels

Titel: Das Land des letzten Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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fairen Handel für jedermann sorgen. Denn solange das Direktorium an der Macht ist, wie kann da der einfache Mann oder die einfache Frau einen fairen Handel abschließen? Welchen Wert legen sie auf das Leben von einfachen Leuten? Wir glauben, dass Menschlichkeit wichtiger ist als der Marktpreis!«
    Alle im Raum begannen laut zu klatschen. Mark, auf seinem Hocker sitzend, überlief ein Schauder. Er erinnerte sich an diese Worte. Doch als er sie beim letzten Mal vernommen hatte, war es Lily gewesen, die sie ausgesprochen hatte. Auf sonderbare Art erinnerte ihn Crede an Lily – sie hatte es sich schon immer in den Kopf gesetzt, dass die Welt gerechter sein müsste. Nur dass Lily vorhatte, sie durch Mitgefühl zu ändern, und nicht indem sie einen Krieg anzettelte.
    Mark riss seinen Blick von Crede los, um sich im Raum umzuschauen. So wie Laud Credes Vorgehensweise beschrieben hatte, hatte es sich eher so angehört, als würde eine Armee aufgestellt, vor allem wenn man bedachte, wie er die Eintreiber zu Feinden erklärte. Tatsächlich waren hier Leute, die so wie Nick den Eindruck erweckten, als seien sie nicht wegen der Rede hergekommen. Andererseits wirkte ein Großteil der Zuhörer unscheinbar; Männer, Frauen, ja sogar Kinder, nach dem Zustand ihrer Kleidung zumeist arm – und allesamt völlig hingerissen.
    »Hey, du«, brummte der Barmann. »Bestellst du jetzt was zu trinken oder nicht? Crede kann hier reden, so viel er will, aber ich muss auch meine Brötchen verdienen.«
    Hastig machte sich Mark unsichtbar, indem er sich unter die Menge mischte. Dabei erhaschte er einen Blick auf eine kleine, dunkelhaarige Frau, die stumm von einem Türeingang aus zuschaute. Einen Moment lang war er davon überzeugt, die Frau schon einmal gesehen zu haben.
    »Miss Devine?«, murmelte Mark vor sich hin. »Der Ort hier passt doch gar nicht zu Ihnen …«
    Mark erinnerte sich an Miss Devine, obwohl er ihr nur einmal begegnet war. Sie war die Nachbarin des Tempels und offiziell Glasmacherin von Beruf. Ihr wirkliches Geschäft aber war ziemlich merkwürdig – sie extrahierte und verkaufte die Gefühle anderer. Als Mark noch ein aufsteigender Stern am Himmel der Oberen der Gesellschaft von Agora gewesen war, hatte es als schick gegolten, bei Gesellschaften Fläschchen mit Gefühlen kreisen zu lassen, und Miss Devine war die beste Lieferantin gewesen. Aber was tat sie nun hier? Soweit sich Mark erinnerte, war sie finanziell abgesichert und kaum interessiert an den Rechten der Geknechteten …
    »Und nun, meine Freunde, möchte ich euch jemanden vorstellen«, verkündete Crede aus vollem Hals. »Kameraden, glaubt nicht, eure einzige Unterstützung käme aus den Reihen der kleinen Leute. Nein, selbst einige der Höchsten in der Stadt sind so ergriffen von unserer misslichen Lage, dass sie sich unserer Sache angeschlossen haben. Ich stelle Ihnen Miss Serapha vor, eine Tochter der Oberen der Gesellschaft!«
    »Serapha?«, sagte Mark und wandte sich ihr zu. »Das hört sich … vertraut an …«
    Mit offenem Mund stutzte er. Als die Menge sich um die Angekündigte herum teilte, war Cherubina zu sehen.
    »Ist das nicht ein gutes Zeichen?«, fragte Crede und verneigte sich galant in Cherubinas Richtung. »Ausgelöst durch die Unschuld eines jungen Mädchens – Miss Lilith – und nach ihrem mysteriösen Verschwinden durch leuchtende Vorbilder der Großzügigkeit wie Miss Serapha aufgegriffen. Aus freien Stücken hat sie ihre Familie aus den Reihen der Oberen der Gesellschaft aufgegeben, um unter uns zu leben. Ganz gleich, was das Direktorium sagen mag, solange sich solche Menschen unserer Sache anschließen, wissen wir, dass sie gerecht und wahrhaftig ist!«
    Die Menge schrie begeistert. Cherubina bewegte sich nicht und hielt den Blick gesittet nach unten gerichtet. Sie stand da in einem geborgten Kleid und unter falschem Namen und wurde als Heldin der Wahrheit gepriesen.
    Mark fand, dass dies Credes Bewegung gut auf den Punkt brachte.
    Er wartete ab, bis Crede, noch immer redend, weg von Cherubina in einen anderen Bereich im Schankraum ging und die Menge ihm folgte. Dann stahl er sich zu Cherubina hinüber und packte sie an der Schulter.
    »Ma…?«, stieß Cherubina hervor, während Mark sie in die ruhigste Ecke des Raums zog. Mark starrte sie zornig an, worauf sie hastig den Rest seines Namens verschluckte. Sie hatte versprochen, ihn nicht in der Öffentlichkeit zu verwenden. »Was machst du denn hier?«, flüsterte sie.
    »Was ich hier

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