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Das Land zwischen den Meeren

Das Land zwischen den Meeren

Titel: Das Land zwischen den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Paredes
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schwarzen Rauch in den Himmel. Laut tutend bahnten sie sich ihren Weg zum Schiffsanleger, wo schon Schauerleute darauf warteten, Kohle zur Feuerung der Kessel aufzuladen.
    »Was sind das dort drüben für Schiffe?«, fragte Dorothea einen älteren Matrosen, der hinter ihr von Bord der Seute Deern ging. Sie deutete auf zwei Großsegler, deren hohe Masten die der anderen Schiffe weit überragten.
    »Der Viermaster mit dem grünen Rumpf ist ein Passagierschiff mit Auswanderern. Er läuft heute Abend nach New Orleans aus. Und der Dreimaster dahinter, wo die Matrosen gerade die Vorsegel einholen, der segelt in zwei oder drei Tagen nach Australien. Die Abendstern ist eigentlich ein Frachtsegler, aber solche Schiffe nehmen neuerdings auch Auswanderer mit an Bord. Es werden ja immer mehr Menschen, die Deutschland verlassen wollen. Ist eigentlich kein Wunder. Wo doch in unserem einstmals stolzen Vaterland nicht mehr jeder durch seiner Hände Arbeit satt wird …«
    Dorothea zögerte, war sich unsicher, ob sie dem Matrosen noch weitere Fragen stellen konnte. Schließlich musste sie als allein reisende junge Frau fremden Männern gegenüber auf der Hut sein und durfte nicht allzu viel von sich preisgeben. Aber der Seemann wirkte solide und ehrlich, und so wagte sie einen weiteren Vorstoß. »Können Sie mir sagen, wo man Bordkarten kaufen kann?«
    Der Matrose hob überrascht die Augenbrauen, dann grinste er. »Also daher weht der Wind … Sie sind wohl Ihren Eltern davongelaufen und wollen mit Ihrem Liebsten durchbrennen. Irgendwohin, wo man Sie beide nicht findet, habe ich recht?«
    Dorothea setzte eine eisige Miene auf und versuchte, sich ihren Schmerz nicht anmerken zu lassen. Nein, sie wollte nicht an Alexander erinnert werden und auch nicht daran denken, dass sie sich ohne seinen Beistand behaupten musste. Doch der Seemann schien nichts von ihrem Stimmungswechsel bemerkt zu haben und plauderte in nachsichtigem Ton weiter.
    »Ja, ja, so verliebt müsste man noch mal sein … Sehen Sie das rote Backsteingebäude hinter dem Ponton? Das ist das Hafenamt, und daneben in dem grauen Holzschuppen befindet sich das Überseebureau, zuständig für Auswanderungs- und Reiseangelegenheiten.« Der Matrose tippte sich mit dem Zeigefinger an die Mütze und stakte breitbeinig davon.
    Mehr als eine Stunde musste Dorothea zusammen mit ande ren Reisewilligen Schlange stehen, bis sie als Letzte an die Reihe kam. Der Schalterbeamte rückte seinen Kneifer gerade .
    »So jung, und da wollen Sie schon so weit weg? Also, das nächste Schiff nach Costa Rica legt ab … Moment, ich schaue in meiner Liste nach … in voraussichtlich zehn bis zwölf Tagen. Es ist allerdings ein kleinerer Stückgutfrachter, der höchstens zwanzig Passagiere aufnehmen kann. Aber manche finden es sogar angenehmer, nicht mit einer ganzen Meute verlauster Auswanderer zusammengepfercht zu sein. Und wer von Ihrer Familie ist noch mit von der Partie?«
    »Niemand, ich reise allein.«
    Der Beamte begutachtete Dorothea von oben bis unten. »Dann wollen Sie also Verwandte besuchen. In diesem Fall benötige ich die Geburtsurkunde, außerdem eine Einwilligungserklärung Ihrer Eltern, dass die Tochter ohne Geleitschutz reisen darf und folglich der Obhut des Kapitäns unterstellt ist. Außerdem Name und Adresse derjenigen erwachsenen Person, die Sie bei der Ankunft in Empfang nehmen wird.«
    Verunsichert nestelte Dorothea an ihrem Schultertuch. »Aber wozu das alles? Ich bin volljährig.«
    Der Beamte pfiff leise durch die Zähne. »Ist das die Möglichkeit? Mehr als siebzehn Jahre hätte ich Ihnen nicht gegeben.«
    Mit einem flüchtigen Gruß betrat ein Mann das Bureau, nahm auf einer Holzbank Platz und zündete sich eine Zigarre an. Dann lehnte er sich zurück und schlug die Beine übereinander, musterte Dorothea nur flüchtig und ohne erkennbare Neugier. Bestimmt ein vornehmer Kaufmann, mutmaßte sie. Jedenfalls schloss sie aufgrund der tadellos sitzenden Kleidung und des Siegelringes an der linken Hand auf einen gewissen Wohlstand. Mit seinen grauen Haaren und den tiefen Furchen im Gesicht erinnerte er sie an Pfarrer Lamprecht, den Geistlichen ihrer Kölner Kirchengemeinde. Der Mann strahlte etwas Väterliches, Zupackendes aus.
    »Auf jeden Fall brauchen wir eine Bescheinigung vom Bezirksamt Ihres letzten Wohnsitzes, dass Sie ohne Vorstrafen sind und auch kein Verfahren gegen Sie anhängig ist.«
    »Das … das wusste ich nicht. Ich habe zuletzt in Köln gewohnt …«
    »Dann

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