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Das lange Lied eines Lebens

Das lange Lied eines Lebens

Titel: Das lange Lied eines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Levy
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Kerzen, das Bienenwachs, das Missus bevorzugt, kosten sechs Shilling acht Pence die Schachtel. Ich soll den ganzen Saal füllen, also müssen viele Schachteln gekauft werden. Nun, Talgkerzen kosten nur ’n Shilling und ’n Penny für dieselbe Stückzahl …«
    »Talg! Soll mein Speisesaal etwa wie ein Schlachthof riechen? Das hier wird eine elegante Gesellschaft, kein Erntedankfest für Nigger.«
    »Dann also sechs Shilling acht Pence die Schachtel.«
    Die Missus starrte in Godfreys Gesicht und war wieder einmal sprachlos. Aber Godfrey wusste, was sie beunruhigte: Für diesen Festschmaus würde sie ihren Bruder um mehr Geld anbetteln müssen. Die Stufen zum Kontor hinauftrippeln. Leise an die Tür klopfen. Warten, während die Neger sie von der Küche, vom Garten aus beobachten würden. Wenn ihr endlich gestattet wurde, einzutreten, würde sie angebrüllt werden, sie solle die Tür hinter sich schließen. Nur ein Augenblick würde vergehen, bevor alle im Umkreis die Stimme des Massas hörten, der genug Leidenschaft aufbrächte, um die Steinwände des Kontors zu durchdringen und zu donnern: »Das ist zu viel, Caroline, zu viel!« Kein klägliches Flehen über die Plantage Prosperity oder über Bienenwachskerzen würde ihn bändigen. Wenn sich die Tür zum Kontor dann wieder öffnete, würde die Missus – mit rotem Gesicht und in ihr Taschentuch schluchzend – langsam die Stufen herabsteigen.
    »Mein Bruder sagt, dass du mich betrügst.Wie kann das alles so teuer sein?«, fragte sie.

    Und Godfrey, der ihrem Blick unerschrocken standhielt, antwortete weich: »Es ist nicht so, dass die Dinge teuer sind, es ist nur so, dass Ihr sie Euch nicht leisten könnt.«
    Da holte die Missus plötzlich mit der Faust aus und schlug Godfrey mit voller Wucht aufs Ohr. Godfrey strauchelte. Der Schlag selbst verursachte ihm keine Schmerzen. Er hatte schon Schlimmeres erlebt. Und er war auch nicht schwach – er hätte ihr das Handgelenk brechen können, wenn er gewollt hätte. Dass er zusammenzuckte wie ein Narr, lag an seiner Verwunderung darüber, dass die Missus ihn überhaupt geschlagen hatte. Denn der Schlag war mit so schnellem Eifer geführt worden, dass selbst Caroline verblüfft schien über seine Kraft. Dass Godfrey Qualen litt, lag vor allem an dem Ausdruck, den er in Hannahs Augen sah. Die alte Frau – die Gefährtin so vieler Jahre, mit der er sich oft am Ende des Tages eine viel geschmauchte Tabakspfeife teilte – blickte ihn voller Mitleid an.
    »Wie kannst du es wagen, mir zu widersprechen?«, sagte Caroline Mortimer. »Ich weiß, dass du mich betrügst. Nun sieh zu, dass du einen günstigen Preis aushandelst, oder ich lasse dich auspeitschen.« Godfrey richtete sich auf und neigte wieder einmal pflichtbewusst den Kopf vor seiner Missus.
    Aus einem kleinen leinenen Beutel zählte sie Geld in ihre Hand. Sie reichte Godfrey die Münzen und sagte streng: »Und sieh zu, dass du das beste Leinentuch auf dem Tisch ausbreitest. Irisches Leinen ist genau das Richtige, um Elizabeth Wyndhams Neid zu wecken.«
    Seit dem Augenblick, als sie an diesem Tag die Augen aufgeschlagen hatte, war July zu Arbeiten eingeteilt. Zuerst musste sie Molly wecken! Gewöhnlich war es Molly, die July weckte, indem sie ihr mit der flachen Hand so lange aufs Ohr schlug, bis es wie Glockenklang hallte. An diesem Tag jedoch stand July vor der schlafenden Molly – deren Schnarchen ihr alle möglichen fauligen Dünste ins Gesicht blies – und ließ sorgsam ein
kleines Steinchen in Mollys sperrangelweit geöffneten Rachen fallen. An diesem dunklen Morgen wachte Molly mit einem Würgen auf – und war zu sehr damit beschäftigt, zu husten, als dass sie bemerkt hätte, dass sie den winzigen Gegenstand gar nicht eingeatmet hatte.
    July ging in die Küche, wo Patience ihr ein Tablett mit Sauerorangen in die schnellen, schnellen Hände drückte. Sie wollte, dass July und Molly im Saal den Fußboden wischten. Dabei war July Zofe! Allen Protest, den sie bei Godfrey einlegte, wies dieser mit einem Kopfschütteln zurück, denn heute war ein außergewöhnlicher Tag. So musste July also auf die Knie gehen. Als sie den Saft der halbierten Orangen in den Holzfußboden rieb, schmerzte der Schnitt in ihrem Daumen immer stärker – es tat weh wie der Hieb von einem mit Pökelsalz eingeriebenen Peitschenriemen, und doch musste sie so lange polieren, bis der Boden hell wie Sonnenlicht auf Wasser glänzte. Und während sie polierten, bestand Molly darauf, mit ihrer

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