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Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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sein, wurde es mit zunehmendem Alter immer schlimmer. Je mehr man über Frauen wusste und darüber, was ein Mann in ihren Augen alles falsch machen konnte … Das fing bei den Schuhen an und hörte bei der korrekten Art des Zuhörens noch lange nicht auf.
    Was er als unsichtbarer Zeuge bei den Elternsprechstunden alles zu hören bekommen hatte!
    Frauen konnten sich jahrelang mit ihren Freundinnen über die falsche Art »hallo« zu sagen lustig machen. Oder über die falsche Hose. Oder die Zähne. Oder einen Heiratsantrag.
    »Ich finde weiße Bohnen wirklich ganz prima«, sagte Perdu.
    »Oh, bitte. Wann hatten Sie zuletzt ein Date?«
    »Neunzehnhundertzweiundneunzig.« Oder vorgestern, aber Perdu wusste nicht, ob dieses Essen mit Catherine ein »Date« gewesen war. Oder mehr. Oder weniger.
    »Neunzehnhundertzweiundneunzig? Das war das Jahr meiner Geburt. Das ist … erstaunlich.« Jordan überlegte. »Okay. Ich verspreche, wir haben kein Date. Wir gehen essen. Bei klugen Frauen. Sie müssen nur ein paar Komplimente und Gesprächsthemen auf Lager haben, die Frauen mögen. Als Buchhändler dürfte das für Sie doch kein Problem sein. Zitieren Sie halt irgendwas.«
    »Na schön«, sagte Perdu. Er stieg noch rasch über den niedrigen Zaun, lief auf eine nahe liegende Wiese und kam wenig später mit einem Arm voll Sommerblumen zurück.
    »Das ist ein Zitat«, behauptete er.
    Die drei Frauen in den Ringelshirts hießen Anke, Corinna und Ida. Sie waren Deutsche, alle Mitte vierzig, sie liebten Bücher, ihr Französisch war abenteuerlich, und sie reisten über die Flüsse, um »zu vergessen«, wie Corinna sagte.
    »Echt? Was denn – doch nicht etwa Männer?«, fragte Max.
    »Nicht alle. Nur einen«, sagte Ida. Ihr Mund in ihrem sommersprossigen Zwanziger-Jahre-Filmstargesicht lachte, aber nur zwei Herzschläge lang. Die Augen unter den rothaarigen Ponylocken verrieten Kummer und Hoffnung zugleich.
    Anke rührte in einem provenzalischen Risotto. Pilzduft füllte die winzige Kombüse, während die Männer mit Ida und Corinna auf dem Achterdeck der Baluu saßen, Rotwein aus einem Dreiliterkistchen tranken sowie den ortstypischen, mineralischen Auxerrois.
    Jean verriet ihnen, dass er Deutsch verstand, die erste Sprache aller Buchhändler. Und so unterhielten sie sich in einem munteren Mischmasch, er antwortete ihnen auf Französisch und stellte seine Fragen in einer Lautmalerei, die zumindest entfernte Ähnlichkeit mit Deutsch besaß.
    Es war, als sei er durch eine Tür der Angst gegangen und habe zu seiner Überraschung feststellen müssen, dass hinter dieser Tür nicht der Abgrund wartete – sondern weitere Türen, helle Flure und freundliche Räume.
    Er beugte den Kopf zurück und sah über sich etwas zutiefst Berührendes – den Himmel. Unbegrenzt von Häusern, Masten, Lichtern war er dicht an dicht mit funkelnden Sternen aller Größen und Intensitäten übersät. Als ob ein Sternenschauer auf das Himmelsfenster geregnet war, so üppig waren die Lichter. Ein Anblick, den kein Pariser je zu sehen bekam, wenn er seine Stadt nicht verließ.
    Und da – die Milchstraße. Perdu hatte das schlierige Sternengewölk zum ersten Mal als Kind gesehen, warm eingepackt in Jacke und Wolldecke, auf einer Butterblumenwiese an der bretonischen Küste. Er hatte in den blauschwarzen Nachthimmel gestarrt, stundenlang, während die Eltern auf dem bretonischen Fest-noz in Pont-Aven noch einmal versucht hatten, ihre Ehe zu retten. Immer, wenn eine Sternschnuppe gefallen war, hatte sich Jean Perdu gewünscht, dass Lirabelle Bernier und Joaquin Perdu wieder miteinander lachten anstatt übereinander. Dass sie zu Dudelsack, Geige und Bandoneon Gavotte tanzten, anstatt mit verschränkten Armen am Rande des Tanzbodens zu schweigen.
    Entzückt, dass sich der Himmel weiterdrehte, hatte Jean, der Junge, in die weite Dunkelheit hineingeschaut. Er hatte sich in der Tiefe dieser ewigen Sommernacht aufgehoben gefühlt.
    Damals, in jenen Stunden, hatte Jean Perdu alle Geheimnisse und Aufgaben des Lebens verstanden. Es war Ruhe in ihm gewesen und alles an seinem Platz.
    Er hatte gewusst, dass nichts zu Ende geht. Dass alles im Leben ineinanderfloss. Dass es nichts gab, was er falsch machen konnte.
    Dies hatte er später als Mann nur noch ein einziges Mal so intensiv gefühlt. Zusammen mit Manon.
    Manon und er hatten die Sterne gesucht, waren immer weiter von den Städten fortgefahren, um die dunkelste Stelle der Provence zu finden. In den Bergen um Sault

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