Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
Vom Netzwerk:
Jordans Kinn an – »sie haben damit nichts zu tun. Das haben Sie in Ihrem wunderbaren Roman doch schon herausgefunden. Wir können uns nicht entscheiden zu lieben. Wir können niemanden dazu bringen, uns zu lieben. Es gibt kein Rezept. Es gibt nur die Liebe selbst. Und wir sind ihr ausgeliefert. Wir können nichts tun.«
    Jetzt weinte Max, er weinte haltlos, sank in die Knie und umschlang Monsieur Perdus Beine.
    »Na, na«, murmelte der. »Ist ja gut. Wollen Sie mal fahren?«
    Max krallte sich in seine Hosenbeine. »Nein! Ich will rauchen! Ich will saufen! Ich will mich endlich wiederfinden! Ich will schreiben! Ich will entscheiden, wer mich liebt und wer nicht, ich will bestimmen, ob Liebe weh tut, ich will Frauen küssen, ich will …«
    »Ja, Max, schscht. Ist gut. Wir legen an, wir besorgen etwas zu rauchen und zu saufen, und den Rest mit den Frauen … den Rest sehen wir.«
    Perdu zog den jungen Mann hoch; Max lehnte sich an ihn und durchweichte sein gebügeltes Hemd mit Tränen und Spucke.
    »Das ist alles zum Kotzen!«, schluchzte er.
    »Ja, Sie haben recht. Aber, bitte, Monsieur, kotzen Sie auf der Wasserseite, nicht aufs Deck, sonst müssen Sie da schon wieder wischen.«
    In Max Jordans Schluchzer mischte sich ein Lachen. Er weinte und lachte, während Perdu ihn im Arm hielt.
    Als das Bücherschiff ein Zittern durchlief und es mit dem Achterdeck heftig gegen das Ufer prallte, fielen die Männer gemeinsam erst gegen das Klavier und dann zu Boden. Aus den Regalen regnete es Bücher.
    »Hmpf«, machte Max, als ein schwerer Einband auf seinen Bauch fiel.
    »Nehmen fwie fas Knie auf meinem Mund«, forderte Perdu.
    Dann blickte er aus dem Fenster, und was er sah, gefiel ihm nicht.
    »Wir sind abgetrieben!«

18
    P erdu steuerte beherzt den von der Strömung an die Seite gedrückten Frachtkahn vom Ufer fort. Leider brach dabei Lulus Heck aus, so dass der lange Kahn quer im Fluss stand wie ein Korken im Flaschenhals und im Kreuzfeuer höchst unfreundlicher Huperei der Schiffe, denen sie die Fahrrinne versperrten. Nur knapp konnte ein britisches Narrowboat, eines der zwei Meter schmalen, aber dafür sehr langen, niedrigen Hausboote, verhindern, in Lulus Taille zu krachen.
    »Ihr Flussesel! Winselschnepfen! Blindfische!«, schimpften die Engländer von dem dunkelgrünen Hausboot herüber.
    »Monarchisten! Ungläubige! Brotrindenabschneider!«, rief Max mit vom Weinen nasaler Stimme zurück und schneuzte sich ein paarmal zur Bekräftigung.
    Als Perdu die Literarische Apotheke so weit gedreht hatte, dass sie nicht mehr quer im Fluss steckte, sondern längs, hörten sie Applaus. Es waren drei Frauen in geringelten Oberteilen auf einem Miet-Hausboot.
    »Ahoi, Büchernotärzte. Hinreißendes Binnenballett!«
    Perdu zog an dem Sirenenhebel und grüßte das Damenboot höflich mit drei Signaltönen. Die Frauen winkten, während sie das Bücherschiff lässig überholten.
    »Folgen Sie diesen Damen, mon Kapitän. Wir müssen bei Saint-Mammès dann rechts ab. Also, Steuerbord, wie man so sagt«, vermerkte Max. Seine rotgeweinten Augen versteckte er hinter Madame Bommes Strass-Sonnenbrille. »Da werden wir eine Filiale meiner Bank suchen und einkaufen. In Ihrem Buchstabenschrank erhängen sich ja die Mäuse vor Hunger.«
    »Heute ist Sonntag.«
    »Oh. Na, gut. Noch mehr Mäusesuizide.«
    Mit unausgesprochenem Einverständnis taten sie beide so, als hätte es jenen Moment der Verzweiflung nicht gegeben.

    Je weiter sich der Tag der Nacht zuneigte, desto mehr Vögel kreuzten den Himmel – Graugänse, Enten, Austernfischer, die schwatzend ihren Schlafplätzen auf den Sandbänken und Ufersäumen zustrebten. Perdu war fasziniert von den schier tausend Varianten Grün, die er erblickte. Und all das hatte sich die ganze Zeit so nahe bei Paris versteckt?
    Die Männer näherten sich Saint-Mammès.
    »Meine Güte«, murmelte Perdu. »Da ist ja was los.«
    Im Flusshafen drängten sich Schiffe aller Größen dicht an dicht, mit Wimpeln Dutzender Länderfarben. Auf den Booten saßen unzählige Menschen über ihrem Essen – und alle, ausnahmslos alle, starrten das große Bücherschiff an.
    Perdu war versucht, aufs Gas zu drücken.
    Max Jordan studierte die Karte. »Von hier kann in alle Himmelsrichtungen weitergefahren werden: nach Norden bis nach Skandinavien, nach Süden bis ins Mittelmeer, nach Osten und hinauf nach Deutschland.« Er schaute zur Marina.
    »Das ist wie rückwärts einparken vor dem einzigen Eiscafé der Stadt mitten im

Weitere Kostenlose Bücher