Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)
Wichtiges sagt.«
Cuneo nickte, als verstünde er sie ganz genau.
»Und was sollte es sagen?«, fragte Max. »So etwas wie: Gott ist tot, es lebe der Sport?«
»Nein, ob mir irgendetwas einfällt, wie ich mein Leben anders bestreiten soll. Am Ende bereut man nur das Ungetane – so heißt es doch, oder?«
Die drei Männer nickten.
»Na ja, das jedenfalls wollte ich nicht riskieren. Ich meine, wer möchte schon mit dem deprimierenden Gedanken das Zeitliche segnen, dass er keine Zeit mehr hat, das wirklich Wichtige zu tun?«
»Na gut«, sagte Jean. »Man kann sich natürlich dazu bringen, sich seiner wahren Lebenssehnsüchte bewusst zu werden. Nur ob dafür ein Flusssprung ratsam ist?«
»Wieso, kennen Sie eine wirksamere Variante? Wie soll es denn gehen, etwa bequem auf dem Sofa? Ist noch was von der Suppe da?«
Cuneo lächelte Samantha verzückt an und strich sich wieder und wieder über die Schnurrbartspitzen.
»Halleluja«, raunte er. Und gab ihr die Suppe.
»Und mir ist tatsächlich etwas Wichtiges eingefallen, als die Wellen da mit mir gespielt haben und ich mich fühlte, als sei ich die letzte Rosine im Teig. Da wurde mir klar, was meinem Leben fehlt«, verkündete sie.
Und löffelte.
Und löffelte.
Und … genau … löffelte.
Sie warteten alle gespannt auf den Rest.
»Ich will noch mal einen Mann küssen, aber richtig«, sagte die Frau nach dem allerletzten Löffel, den sie aus dem Topf herausgekratzt hatte. Dann stieß sie wohlig auf, griff nach Cuneos Hand, legte sie sich unter ihre Wange und schloss die Augen. »Nach dem Schlafen«, murmelte sie noch.
»Ich halte mich gern zu Ihrer Verfügung«, flüsterte Cuneo mit einem leicht glasigen Gesichtsausdruck.
Keine Antwort. Nur ein Lächeln. Wenig später schlief sie und schnarchte, so, wie ein kleiner Hund knurrt.
Die drei Männer sahen sich ratlos an.
Max lachte lautlos und streckte beide Daumen hoch.
Cuneo versuchte, sich bequemer hinzusetzen, so, dass er die Fremde nicht beim Träumen störte. Ihr Kopf lag auf seiner großen Hand wie eine Katze auf einem Kissen.
30
W ährend draußen über der Bücherstadt und der Seille der Sturm wütete, der Schneisen in den Wald schlagen würde, Autos aufs Dach wirbeln und Bauernhäuser in Brand setzen, gab sich das Männertrio Mühe, unbeschwert zu tun.
»Und warum ist Cuisery das Paradies, wie du es vor ungefähr dreitausend Jahren mal gesagt hast?«, fragte Max Jean leise.
»Oh! Cuisery! Wer Bücher liebt, verliert dort sein Herz. Es ist ein Dorf, in dem alle verrückt sind nach Büchern. Oder nur verrückt, was nicht auffällt. Nahezu jeder Laden ist eine Buchhandlung, eine Druckerei, eine Buchbinderei, ein Verlag … Und viele Häuser sind Künstlerenklaven. Der Ort vibriert geradezu vor Kreativität und Fantasie.«
»Merkt man im Moment nicht so«, stellte Max fest. Der Wind heulte um das Schiff und rüttelte an allem, was nicht niet- und nagelfest war. Die Katzen hatten sich an Samanthas Körper niedergelassen. Lindgren lag an ihrem Hals, Kafka in der Kuhle zwischen ihren Waden. »Die gehört jetzt uns«, sagten ihre Posen.
»Alle Cuisery-Bouquinisten sind spezialisiert. Da bekommt man alles. Und wenn ich sage alles, dann meine ich auch alles«, erklärte Perdu.
Er hatte, in einem anderen Leben, als er noch Buchhändler in Paris gewesen war, mit einigen der Raritätenhändler Kontakt aufgenommen – wenn zum Beispiel ein solventer Kunde aus Hongkong, London oder Washington meinte, er müsse eine Erstausgabe von Hemingway für hunderttausend Euro besitzen, mit Wildledereinband und einer Widmung von Ernest an seinen guten alten Freund Tobby Otto Bruce. Oder ein Werk aus Salvador Dalís Beständen. Eines, von denen es hieß, der Meister habe sie gelesen, bevor er seine surrealistischen Träume von zerfließenden Uhren gehabt hatte.
»Also gibt’s da auch Palmblätter?«, fragte Cuneo. Er kniete immer noch vor Samantha und hielt ihr Gesicht.
»Nein. Es gibt Science-Fiction, fantastische Geschichten und Fantasy – ja, da machen Spezialisten sehr wohl einen Unterschied – außerdem …«
»Palmblätter? Was soll das denn?«, wollte Max wissen.
Perdu stöhnte auf. »Nichts«, beeilte er sich zu sagen.
»Hast du nie gehört von der Bibliothek des Schicksals? Von …« – jetzt wisperte der Italiener – »dem Buch des Lebens?«
»Njom, njom«, machte Samantha.
Jean Perdu kannte sie auch, die Legende. Das magische Buch der Bücher, das Große Weltgedächtnis, entstanden vor
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