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Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Lavendelzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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jagte.
    Er war bereit wie niemals zuvor.
    Jetzt!, dachte er.
    Jetzt flossen die Zeiten wieder zusammen. Endlich trat er aus seiner erstarrten Zeit heraus, der stehengebliebenen, der verwundeten. Jetzt.
    Catherine trug ein Kleid, blaugrau, es betonte ihre Augen. Sie ging schwingend, aufrecht, trat fester auf als damals …
    Damals?
    Auch sie ist ihren Weg vom Ende bis zum Anfang gegangen.
    Sie blieb kurz an der Theke stehen, wie um sich zu orientieren.
    MM fragte: »Suchen Sie etwas Bestimmtes, Madame?«
    »Danke. Ja. Ich habe lange gesucht … aber jetzt habe ich es gefunden. Das Bestimmte«, sagte Catherine und schaute Jean quer durch den Raum an, mit einem glühenden Lächeln im Gesicht. Sie ging direkt auf ihn zu, und er lief ihr mit klopfendem Herzen entgegen.
    »Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich darauf gewartet habe, dass du mich endlich bittest, zu dir zu kommen.«
    »Ist das wahr?«
    »O ja. Und ich hab solch einen Hunger«, sagte Catherine.
    Jean Perdu wusste genau, was sie meinte.

    An diesem Abend küssten sie sich das erste Mal. Nach dem Essen, dem langen, wunderschönen Spaziergang am Meer, den langen, leichten Gesprächen im Hibiskusgarten unter dem Schattendach, bei denen sie wenig Wein und viel Wasser tranken, und vor allem die Gegenwart des anderen genossen.
    »Die Wärme hier tröstet«, sagte Catherine irgendwann.
    Es stimmte. Die Sonne von Sanary hatte alle Kälte aus ihm gesogen und alle Tränen getrocknet.
    »Und sie macht mutig«, flüsterte er. »Sie macht mutig, zu vertrauen.«
    Im Abendwind, beide von ihrer Tapferkeit, noch einmal im Leben zu vertrauen, verwirrt und entzückt – da küssten sie sich.
    Es war Jean, als küsse er überhaupt zum ersten Mal.
    Catherines Lippen waren weich, und sie bewegten sich auf eine so angenehme, so passende Weise an seinen. Es war eine solche Freude, sie endlich zu essen, zu trinken, zu spüren, zu liebkosen … und eine solche Lust.
    Er schlang seine Arme um diese Frau und küsste und biss ganz zart ihren Mund, folgte ihren Mundwinkeln mit den Lippen, er küsste sich die Wangen hoch bis zu ihrer duftenden, zarten Schläfe. Er zog Catherine an sich, er war so voller Zärtlichkeit und Erleichterung. Er würde niemals mehr schlecht schlafen, wenn diese Frau bei ihm war, niemals. Niemals mehr würde die Einsamkeit ihn verbittern.
    Er war gerettet. So standen sie und hielten sich.
    »Du?«, fragte sie schließlich.
    »Ja?«
    »Ich habe nachgeschaut. Ich habe zuletzt 2003 mit meinem Ex-Mann geschlafen. Mit achtunddreißig. Ich glaube, es war ein Versehen.«
    »Wunderbar. Dann bist du die Erfahrenere von uns beiden.«
    Sie lachten.
    Wie seltsam, dachte Perdu. Wie all die Entbehrungen, all das Leiden mit einem Lachen davongewischt werden. Mit nur einem Lachen. Und die Jahre schmolzen zusammen und … fort.
    »Aber eins weiß ich noch«, gab er zu. »Liebe am Strand wird überschätzt.«
    »Man hat überall Sand, wo er nicht sein sollte.«
    »Und die Mücken erst.«
    »Sind die nicht eher woanders als am Strand?«
    »Siehst du, Catherine, ich habe wirklich keine Ahnung.«
    »Dann zeige ich dir jetzt mal etwas«, raunte sie. Ihr Gesicht sah jung und verwegen aus, als sie Jean in das zweite Schlafzimmer zog.
    Im Mondlicht sah er einen vierbeinigen Schatten davonhuschen. Psst setzte sich auf die Terrasse und drehte ihnen verständnisvoll den weiß-rot getigerten Rücken zu.
    Hoffentlich mag sie meinen Körper. Hoffentlich lässt mich meine Kraft nicht im Stich. Hoffentlich berühre ich sie so, wie sie es mag, und hoffentlich …
    »Hör auf zu denken, Jean Perdu!«, befahl Catherine zärtlich.
    »Das merkst du?«
    »Du fällst mir ganz leicht, Liebster«, flüsterte sie, »Geliebter, ach, ich wollte so sehr, dass … und du …«
    Sie flüsterten weiter, aber es waren Sätze ohne Anfang und ohne Ende.
    Er zog Catherine aus, und unter ihrem Kleid trug sie nur einen einfachen, weißen Slip.
    Sie knöpfte sein Hemd auf und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals, an seiner Brust, sog seinen Geruch ein. Ihr Atemstrom streichelte ihn, und, nein, er brauchte sich keine Sorge um seine Kraft zu machen, denn sie war in dem Moment da, als er das weiße, schlichte Baumwolldreieck im Dunkeln hatte aufleuchten sehen und spürte, wie sich ihr Körper in seinen Händen bewegte.

    Sie genossen den ganzen September in Sanary-sur-Mer.
    Schließlich hatte Jean genug vom Licht des Südens getrunken. Er hatte sich verloren und wiedergefunden. Die verwundete Zeit war vorbei.
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