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Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen

Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen

Titel: Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Rudolf
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damit auf, ich habe jetzt andere Sorgen.«
    »Das neue Dienstmädchen kommt doch schon übermorgen«, beruhige ich Mama.
    »Aber das andere ist übermorgen nicht fertig.«
    »Was?«
    »Der Mann, der Papa den Block schmackhaft gemacht hat, will jetzt Geld dafür.«
    »Wir haben ja Geld«, sagt Koni.
    Nach dem Telefonat mit seinem Bruder ist Papa noch aufgebrachter. Völlig lustlos sitzt er am Tisch. Immer wieder fällt der Ausdruck Prozess, was das Furchtbarste sein muss, das uns je passiert ist, denn Mama hat noch nie so mit Papa gesprochen. Wie ein Mann redet sie auf ihn ein: »Die Sache regt dich viel zu fest auf, bezahl halt und vergiss es, deine Gesundheit ist wichtiger.«
    »Wichtiger als das Gesetz? Man würde nicht glauben, dass du aus einer Anwaltsfamilie stammst! Hast du denn überhaupt keinen …«
    »Keinen was?«
    Papa macht sich den Mund sauber und wirft die Serviette auf den Teller. Er geht in den Garten – Mama ins Schlafzimmer.
    Wenigstens müssen wir heute diese grausigen Kutteln nicht aufessen. Koni holt in der Küche sofort Blitzis Fressnapf. Dann tragen wir das Geschirr hinaus, waschen ab, auch die Pfannen und was sonst noch herumliegt, »aber trocknen kann es selber«, sage ich zu Koni. Als ich aus dem Dienstmädchenzimmer schaue, ob Papa noch immer im Garten ist, sehe ich, wie Blitz ihn umkreist und sich nicht anleinen lässt. Papa schlägt mit der Leine auf ihn ein. Aber Blitz entwischt ihm immer aufs Neue. Jetzt läuft er ihm um den Nussbaum nach. »Dü Sauhund, dü«, schreit Papa, »mach sofort Fuß!«
    In der Turnhalle, wo Papa einmal seinen Vortrag übers Zähneputzen gehabt hat, redet heute ein anderer Doktor. Die Schüler können mit ihren Eltern kommen, hat der Lehrer gesagt. Aber Papa arbeitet lieber, und Mama hat keine Zeit. Klaras Mutter setzt sich zwischen Kläri und mich. »Damit ihr zwei nicht schwatzen könnt«, sagt sie.
    Als sich Mama nach dem Vortrag erkundigt, weiß ich nichts mehr. »Nicht mal einen Film hat es gegeben …«
    »Was hast du denn erwartet?«
    »Bei Papa haben wir wenigstens eine kleine Tube Zahnpasta mit heimnehmen können.«
    Abends fragt mich Papa so lange aus, bis ich erzähle, dass der Doktor sagte, es sollten sich alle Kinder impfen lassen.
    »Das ist schon gut«, sagt Papa, und Mama stimmt ihm bei: »Mit Kinderlähmung lässt sich nicht spaßen.«
    »Tut das weh?«
    »Äch wa, es Stichji … Oder willst du etwa in die eiserne Lunge?«
    »Was ist das?«
    »Hat er euch das nicht erklärt?«
    Ich hebe die Schultern.
    »Das ist eine Röhre zur Beatmung.«
    Jetzt möchte auch Koni Näheres wissen. Aber Papa muss im Herrenzimmer noch Akten studieren. Schon nach ein paar Minuten kommt er wieder heraus, um Onkel Heinrich anzurufen. Immer geht es nur um diesen blöden Block!
    Onkel Raoul fährt mit einem schneeweißen Auto vor. Konrad und ich haben ihn in der Einfahrt schon erwartet. Obwohl Onkel Raoul Koni zweimal korrigiert hat, bleibt er bei seinem »Chevrolet-Gornett« statt »Corvette«.
    »Also denn«, lacht Onkel Raoul, »geht und fragt eure Mama, ob sie mit mir im Gornett ein Probefährtchen machen möchte!«
    Die beiden kehren mit einer Schwarzwäldertorte fürs Dessert zurück. Da Mama keine Mütze aufhatte, ist sie völlig zerzaust. »Ich seh ja aus wie ein Buschweib«, stellt sie mit einem Blick in den Garderobespiegel fest und verschwindet ins Bad.
    Unterdessen stößt Onkel Raoul mit Papa auf seine »Möwe« an. Und gleich noch auf seine Totaluntersuchung, »tscheckab«, sagt er. »Der Urin so klar wie Fendant – das Herz wie das eines Jünglings!«
    Mama bringt zwei Schälchen mit Salznüssen herein. Sie erkundigt sich nach Vroni.
    »Ja, die liebe Veronika. Wie sagt man doch? Tisch und Bett getrennt, so lebt’s sich doppelt ungehemmt! Aber essen tun wir nach wie vor zusammen, zu verachten ist ihre Küche nicht.«
    »Leidet sie noch immer unter ihren Migräneanfällen?«
    Onkel Raouls Gesicht nimmt einen spöttischen Ausdruck an. »Ach, die kommen und gehen je nachdem, was sie beschäftigt. Mal sind es Geldfragen, dann wieder ist’s die Eifersucht … Die Gründe fürs Kranksein gehen ihr nie aus.«
    »Und bist du mit deinem Assistenten zufrieden«, fragt Papa. »Ist der Ärger nicht größer als der Profit?«
    »Na ja, momentan habe ich den dritten in Serie.«
    »Alles Ungarn?«
    »Klar. Du musst halt etwas in Kauf nehmen, wenn du dich nicht zu Tode krampfen willst. Es gibt übrigens auch hübsche ungarische Zahnärztinnen. In diesem

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