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Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen

Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen

Titel: Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Rudolf
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Zusammenhang: Seit Petra hast du bereits zweimal gewechselt, ist dir keine schön genug? Wie oft willst du denn noch neue einarbeiten?«
    »Es geht ja nicht bloß ums Äußere. Aber schließlich sind wir mit den Praxishilfen tagtäglich zusammen, mehr als mit der eigenen Frau, das setzt ja doch einiges voraus.«
    Onkel Raoul teilt Papas Ansicht nicht. »Meine derzeitige Praxishilfe ist sogar ein Jahr älter ich und ohne jeden Charme. Ihr Äußeres kannst du gleich vergessen. Aber wie die arbeitet, mit geradezu jungfräulichem Eifer, sag ich dir, perfekt, im Büro wie im Sprechzimmer. Keine Familie, keine Hobbys, nix. Für das Fräulein Dietschi gibt es nur den Beruf – und natürlich mich!«
    »Übrigens«, und Papa macht eine Pause, so dass sich Onkel Raoul gespannt nach vorne lehnt, »übrigens, du kennst ja Linard auch, erinnerst du dich an …«
    »Sein sogenanntes Fräulein Lis, die aparte Schwarzhaarige?«
    »Ja, das ist seine Haushaltshilfe – und nun ist sie schwanger.«
    »Von Linard?«
    »Von wem denn sonst, wo sie ja unter einem Dach wohnen.«
    »Und?«
    »Er heiratet sie.«
    »Nun, ein Ohrenarzt ist keine schlechte Partie!«
    »Immerhin hat er zwei Buben …«
    »Und ein tolles Haus.«
    »Und den alten Dackel hat er auch immer noch. Diesen Fettwanst behandelt er wie sein drittes Kind. Apropos …«
    Papa schildert Blitz’ Angriff auf »Heinrichs bestes Stück«. Onkel Raoul lacht so fest, dass ich die Krone sehe, die ihm Papa eingesetzt hat. Wieder ernst, redet er fast etwas aufgebracht auf Papa ein. »Du musst den Köter einschläfern, unbedingt! Jetzt, wo du noch den Prozess am Hals hast, musst du einen Hund haben, der dich in deiner Freizeit erbaut und dich nicht ständig ärgert! Du weißt genau, dass jede Aufregung Gift für dich ist.«
    Papa schweigt.
    »Verdammt noch mal, dein Hund ist untragbar geworden, du musst doch der Realität ins Auge sehen!«
    »Ja, eben. Ich schaue meinem Hund in die Augen – das ist die Realität!«
    Papa schenkt sich nach.
    Die lauten Stimmen der Eltern hindern mich am Einschlafen. Ich schleiche an ihre Zimmertür, um sie besser zu verstehen.
    »Nimm dir ein Beispiel an Raoul, du solltest auch weniger arbeiten.«
    »Weniger arbeiten! Und zusehen, wie die Patienten zu einem anderen abwandern?!«
    »Mach wenigstens so einen Check-up wie er.«
    »Äch wa, lächerlich!«
    »Bei deinem Herzen …«
    »Hör endlich auf!«
    Ich klopfe heftig an ihre Tür, »bitte streitet nicht mehr!«
    Papa öffnet. »Das ist nur ein lauter Wortwechsel, suscht nix!«, erklärt er. »Schau« – er setzt sich aufs Bett, lehnt hinüber zu Mama und gibt ihr ein Munzi.
    »Alles ist wieder gut, siehst du? Geh, und schlaf jetzt!«
    »Gell, Papi, den Blitz behalten wir, bis er selber stirbt.«
    »Darauf kannst du Gift nehmen!«
    Ich bete ein zweites Mal. »Lieber Gott, mach, dass sich Papa nicht mehr aufregt und dass sie nie mehr streiten. Dafür gehe ich ohne Mucksen ins Herbstlager!«

VII
    Als ich aus dem Herbstlager zurückkomme, ist Blitz weg und Papa liegt nach einem Herzinfarkt im Spital. Er sieht jedoch gesund aus. Und weh tut ihm auch nichts mehr. Gleichwohl ist Mama nervös und mehr im Spital als daheim. Dass ich den Sonntagnachmittag lieber mit Gerda als im Krankenzimmer verbringen möchte, enttäuscht sie.
    »Es sind ja ohnehin immer andere bei Papa. Die ganze Woche hat’s geregnet, und heute ist es endlich schön … Bitte Mama!« Kein Argument stimmt sie um.
    »Nur weil dir die Gerda nicht sympathisch ist, muss ich mit dir kommen!«
    »Ihre Eltern haben nichts als Geld im Kopf und Großtun. Ich glaube nicht, dass der Umgang mit Gerda gut ist für dich. Halte dich lieber an Betty. Das ist ein hochanständiges Mädchen aus einer guten Familie.«
    »Ha, hättest die im Lager sehen sollen! Zudem gehen sie sowieso wieder nach Amerika.«
    »Hast du die Schulaufgaben für morgen eigentlich gemacht?«
    »Haben keine. Warum ist Blitz gestorben?«
    »Frag nicht immer dasselbe!«
    »Doch.«
    »Hör endlich auf!«
    »Nein! Und in eine Ferienkolonie gehe ich nie mehr!« Mit einem Walliser-Spruch dopple ich nach: »Lieber in d Hell als da hi!«
    »Was bist du bloß für ein Kind! Sei doch glücklich, dass Papa noch lebt. Du könntest wirklich ein bisschen Dankbarkeit zeigen.«
    Nach der Messe geht’s geradewegs ins Spital. Papa ist in einer anderen Abteilung als beim Beinbruch. Trotzdem treffen wir wieder den Doktor vom MG . Während sich Mama mit ihm unterhält, gehe ich schon mal voraus.
    Auf

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