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Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen

Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen

Titel: Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Rudolf
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und ich rege mich nicht mehr auf.«
    »Du hast auch versprochen, nie mehr so viel zu arbeiten wie vor dem Infarkt«, ergänzt Mama.
    »Und wir werden wieder einen Hund kaufen, das hast du auch versprochen!«
    »Können wir einen Lassie haben«, fragt Koni.
    Papas Gesichtsausdruck verrät wenig.
    »Wir könnten ihn Laika nennen!«
    »Warum Laika«, fragt Koni.
    Papa und Mama staunen, als ich mein Wissen ausbreite. »Die Russen haben in ihrem Satelliten einen Hund …«
    »Eine Hündin«, korrigiert mich Papa.
    »Eben, diese Hündin, die hat Laika geheißen, und die haben die Russen als allererstes Lebewesen ins All geschossen.«
    »Und?«
    »Laika ist gestorben, der Sauerstoff ist zu früh ausgegangen. Das hat uns der Stellvertreter erzählt, er sagt, die heutige …«
    Papa unterbricht mich. »Erstens ist ein Collie kein Hund für einen Mann, ich muss wieder einen Boxer haben. Und zweitens werden wir dem neuen Hund sicher nicht ausgerechnet einen kommunistischen Namen geben.
Hundetaufe am Bielersee
    An Weihnachten habe ich zwar eine Gitarre bekommen, und ich habe mich darüber gefreut. Aber noch lieber wäre mir ein Hund gewesen. Manchmal tönt es, als ob überhaupt nie mehr ein Hund ins Miramon käme.
    »Es ist so problemlos und gemütlicher ohne.« Das sagt Mama immer wieder, zu ihren Schwestern und neuerdings sogar zu Papa.
    »Aber ihr habt es uns versprochen!«
    »Bitte, hör endlich mit deinem andauernden Gestürm auf, Papa hat weiß Gott genug andere Probleme!«
    »Ich soll Probleme haben?« Er schaut über seine Zeitung hinweg zu uns, fast ein wenig amüsiert, wie mir scheint.
    »Los«, mahnt Mama, »geh jetzt endlich hinter deine Aufgaben!«
    Diese Dreisatzrechnungen sind noch komplizierter, als sie der Übelhart erklärt hat. Zwischendurch muss ich eine Pause machen. Ich nehme mein Tagebuch aus der Schublade und lese meine letzten Eintragungen. Sie liegen eine Weile zurück:
Am Silvester sind viele Verwandte bei uns gewesen. Papa ist wieder wie früher gewesen. Wir haben drei Tischbomben abgelassen. Dann hat Tanta Isabella mit Onkel Gaudenz Krach gehabt wegen dem Champagner. Sie hat zu Mama gesagt, wenn er zu viel trinke, müsse sie wieder, und sie habe diese Woche schon zweimal müssen. Mama hat mir nicht sagen wollen, was Tanta Isabella gemeint hat. Deshalb habe ich so meine Vermutungen. Ich werde Gerda fragen. Anton ist ein Armer mit seiner komischen Stimme. Gottlob bekommen Mädchen nie den Stimmbruch!
    Unter den Text habe ich ein Sonnenschirmchen aus der Tischbombe geklebt. Ein paar Seiten weiter vorne ist ein Foto von Blitz und mir drin. Gerda habe ich dann nicht nach der Sache mit Tanta Bella gefragt. Sie tut immer so fräuleinhaft, dabei weiß sie gar nicht mehr als ich. Zudem hat sie mir schon zweimal gesagt, ich sei kindisch! Vielleicht will ich sie gar nicht mehr als Freundin.
    Ich habe Papa lieber als Mama
. Sonst schreibe ich heute nichts ins Tagebuch. Oder doch:
Ich hasse Rechnen!
    Konrad platzt in mein Zimmer. »Ich weiß etwas, was du nicht weißt!«
    »Ist mir doch egal.«
    Wie er nun allerdings »wau-wau!« macht, stürme ich an ihm vorbei zu Papa.
    Wir fahren vergeblich ins Gürbetal. Der ganze Wurf der Boxerli ist uncoupiert. Papa will sich damit überhaupt nicht anfreunden, obwohl Koni und ich und sogar Mama die Lampiohren herzig finden. Zurück im Auto, ist die gute Stimmung dahin.
    »Du hättest zu dem liebenswürdigen Züchter ruhig etwas freundlicher sein können, c’est le ton qui fait la musique.«
    Papa reagiert auf Mamas Einwand gereizt: »Sonst noch was?« »Ja, sonst noch was. Die Kinder und ich haben in der
Tierwelt
ein Inserat mit jungen Collies gesehen … Nähe Biel«, fügt Mama noch hinzu. Und nach weiteren Minuten des Stillschweigens: »Ein Collie wäre halt schon viel weniger aggressiv, es sollen richtige Familienhunde sein. Wir hätten die Adresse mit …«
    »Papa, bitte!«
    »Bitte, Papa!«
    »Kommt nicht in Frage! Und zuerst sehen wir uns jetzt sowieso Thun an.«
    »Warum nicht gleich Gunten, du hast ja damals keine Zeit gehabt, mit uns da das Wochenende zu verbringen, damals, an jenem legendären Wochenende. Erinnerst du dich?«
    Papa sagt nichts mehr. Und auch Mama nicht. Bei der Abzweigung Thun fährt Papa in die Gegenrichtung. Auf einer Ausweichstelle hält er an. »Also, zeigt mal, wo habt ihr die Adresse?«
    Nachdem sich Mama bei Leuten mehrmals nach der Straße erkundigt hat, finden wir diese Sonnhalde 14 doch noch. Es ist ein verlottertes Haus mit Gerümpel

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