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Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen

Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen

Titel: Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisela Rudolf
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Papa, fragt lieber ihn. – Kannst du den Kindern den Inhalt erzählen? Ich also sicher nicht … Und für so was sind wir extra nach Zürich gefahren!«
    »Du bist doch die, die immer Komödien will.«
    »Aber diese
Physiker
sind keine normale Komödie. Oder hast du im zweiten Akt etwa noch gelacht?«
    »Für euch beide«, sagt Papa zu Koni und mir, »ist das schon ein bisschen kompliziert.« Und zu Mama: »Aber geistreich ist der Kerl, das muss man ihm lassen. Gerade vorhin habe ich mir einen Satz in die Agenda notiert:
Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden
, und …«
    »Aber Papa, wenn ich etwas denke und merke, dass es etwas Böses ist, dann kann ich es doch wieder wegdenken?«
    »Nein, gedacht ist gedacht.«
    Papa setzt sich in seinen Sessel, ruft Tosca und krault sie zwischen den hinteren Beinen. Mich geniert das irgendwie.
    Ich soll meine Gitarre holen, um etwas vorzuspielen. Auf diesen Moment habe ich seit meiner letzten Gitarrenstunde gewartet! Der Musiklehrer hat mit mir nämlich ein Lied von Freddy Quinn geübt.
    Noch stimme ich die Saiten, da läutet es und Heidi kommt zu Besuch. Die Erwachsenen verschwinden in den Salon, sie wollen etwas besprechen, »was vorläufig ein Geheimnis ist.« Heidi hat ihre Reiterkleider an und riecht seltsam. Unsicher, ob dieser Geruch gut oder schlecht ist, frage ich Koni, wie er ihn findet. Er rümpft die Nase. Durch die verschlossene Tür versuchen wir das Geheimnis zu erlauschen. Aber im Salon reden sie bloß über diese Iris von Roten.
    »Was ist mit der«, fragt Konrad.
    »Das ist doch diese Üsserschwizeri mit dem Wallisermann, die hat irgend so ein freches Buch gegen die Männer geschrieben.«
    Wir holen unseren Hula-Hoop-Ring und schauen, wer ihn auf einem Bein länger drehen kann. Als Koni dran ist, fällt ihm der Ring auf Tosca, die unter dem Fenster schläft. Sie erschrickt, nimmt einen Satz Richtung Tür, wirft dabei Koni um, der stößt mit dem Kopf an den Lesetisch und schreit. Etwas fällt zu Boden …
    »Im Esszimmer Hula-Hoop – seid ihr eigentlich verrückt?!«
    Ich hebe den handbemalten Aschenbecher auf und halte ihn Mama hin. »Er ist nur in zwei Stücke zerbrochen, das kann man doch wieder leimen, oder?«
    Bevor Mama in den Salon zu Heidi und Papa zurückkehrt, bittet sie Elvira, sich um Koni und mich zu kümmern. Elvira fragt, ob ich ihr etwas vorspielen würde, sie hat gehört, dass ich vor Heidis Eintreffen die Saiten gestimmt habe.
    Koni grinst abschätzig und verzieht sich. Kaum bin ich mit der Gitarre in ihrem Zimmer, wünscht sie sich ein italienisches Lied. Aber
Vola, colomba biancha vola
gefällt ihr nicht.
    Elvira beginnt etwas zu summen, das nach
O sole mio
klingt. Ich probiere mit den mir bekannten Gitarrengriffen in die Nähe ihrer Tonlage zu kommen. Es tönt kläglich. Wie ich nun meine Begleitversuche aufgebe, fordert sie mich auf mitzusingen. Und schon legt sie los: »Che bella cosa una giornata di sole – L’ aria serena dopo una tempesta – Per l’ aria fresca pare già una festa – Che bella cosa …”
    Im Gegenlicht wirkt der dunkle Flaum über Elviras Lippen wie ein Schnäuzchen, und diese Tränensäcke – werden die wirklich vom Weinen so groß? Im Moment zumindest ist Elvira bestimmt nicht traurig; ihre braunen Augen strahlen, wenn sie singt. Allerdings ziemlich falsch, nur der Spur nach ähnelt das dem bekannten Lied.
    Jetzt lehnt sie sich auf ihrem Bett zurück und erzählt, zum ersten Mal seit sie bei uns ist, etwas von sich. »Der Komponist stammt aus meiner Heimat und heißt Capua oder ähnlich. Als er in fernen Landen sein Lied einem persischen Teppichhändler vorgesungen hat, hat aus einer dicken Wolkendecke plötzlich die Sonne herausgestrahlt, deshalb hat er dann als Titel
O sole mio
gewählt. Meine Nonna hat es früher oft mit mir gesungen, vielleicht liegt mir deshalb so viel an diesem Lied.«
    »Ich habe«, sage ich zu Elvira, »eine Idee: Du bringst mir die Strophen bei, und dann singen wir es zusammen den Eltern vor!«
    Sie geht nicht darauf ein. Noch ist sie in ihren Erinnerungen, im kalabresischen Sommer und am Meer, das sie fürchtet. »E l’aria!« Sie macht mir vor, wie die Luft des Südens tief in ihre Lungen dringt.
    »Hast du manchmal Heimweh?«
    Elvira hebt unentschloßen die Schultern. »No. Nein, nicht wirklich«, sagt sie. Nur einmal in der heimischen Erde begraben sein, das möchte sie schon.
    »Vermisst du deine Familie denn gar nicht?«
    Wieder hebt sie die

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