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Das Leben einer anderen: Roman (German Edition)

Das Leben einer anderen: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben einer anderen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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vernünftigen Person in der ganzen Truppe. Die lange dürre Frau, die schlicht und bieder aussah, fand ich anrührend, vor allem im Gegensatz zu den lächerlichen Rüschenkleidchen von Elly May.
    Mit dreizehn wurde mir klar, dass ich für diese Frauen etwas ganz anderes empfand als mein Bruder für männliche Stars oder Heldenfiguren.
    Für mich waren die Frauen auf den Bildern an meiner Wand nicht nur Menschen, die ich bewunderte oder deren Musik und Auftreten mir gefielen. Ich mochte diese Frauen nicht nur. Vor meinem inneren Auge sah ich, wie ich sie küsste, und zum ersten Mal in meinem Leben – meine Fantasie war bislang nicht sehr ausgeprägt – stellte ich mir vor, was ich gerne mit ihnen machen würde.
    Ich sah, wie sie mich in die Arme nahmen und mit den Beinen umschlangen, wie ihre Hände mich liebkosten, mir durchs Haar strichen, den Hals streichelten.
    Als mir diese Gefühle bewusst wurden, kannte ich noch kein Wort dafür. Ich wusste nur, dass ich anders war als andere Mädchen, die kreischten, wenn sie die Beatles im Fernsehen sahen, und die Fotos von Elvis Presley und Ricky Nelson über ihrem Bett aufhängten.
    Ich wollte, dass Mädchen – echte Mädchen, Mädchen aus meiner Schule – für mich solche Gefühle hegten wie für Jungen. Sich auf diese Art für mich interessierten. Wieso um alles in der Welt, fragte ich mich, konnten die sich so für einen pickligen Trottel mit fettem Adamsapfel begeistern, der an ihrem BH -Träger zerrte, wenn ich sie stattdessen zärtlich küssen und lieben würde?
    In der siebten Klasse, kurz nachdem wir nach Vermont gezogen waren, zeigte ich meine Gefühle zum ersten Mal. Das Mädchen, in das ich verliebt war, hieß Jenny Samuels, und wir hatten Mathe und Sport zusammen. Unsere Schließfächer lagen nebeneinander, wir zogen uns also Seite an Seite aus. Es war wunderbar und schlimm zugleich, sie nackt oder fast nackt so dicht neben mir zu haben. Ich wollte sie so gerne anschauen, fürchtete aber, dass sie dann hinter mein Geheimnis kommen würde.
    Zu dieser Zeit zogen sich die meisten Mädchen nicht vollständig aus. Einige benutzten sogar die Klos als Umkleide, damit man sie nicht nackt sah. Oder sie verhüllten sich nach der Dusche mit einem Handtuch und schlängelten sich dann in ihre Unterhose, ohne das Handtuch abzulegen. Dann drehten sie sich zur Wand, um ihren BH zu schließen, sodass man höchstens kurz ihre Brustwarzen sah, bevor die Körbchen ihre Brust bedeckten. Und da wir noch in der siebten Klasse waren, gab es häufig ohnehin nicht allzu viel zu betrachten.
    Meine Brüste waren so klein, dass ich keinen BH brauchte, und ich wollte auch keinen, aber Val meinte, es sähe komisch aus, wenn ich keinen tragen würde; man sähe diese zwei dunklen Punkte unter dem Hemd, wenn ich etwas Helles anhatte.
    »Ich kann ja ein Unterhemd anziehen«, wandte ich ein, aber sie meinte, das gehöre sich nicht für Mädchen.
    An diesem bestimmten Tag hatte ich BH und Höschen schon angezogen. Ich hatte mich in der Dusche beeilt, damit ich vor Jenny an der Umkleide sein würde. Mein Plan war, am Schloss herumzufummeln, wenn sie ihr Handtuch ablegte, und das Schloss dann im selben Moment fallen zu lassen, sodass ich einen Vorwand hatte, um sie beim Aufrichten anzuschauen.
    Für eine Siebtklässlerin hatte Jenny erstaunlich große Brüste. Die Jungen ließen sich natürlich längst darüber aus. Jenny musste daran gewöhnt sein, dass ihr Busen Schulthema war; in der Mädchenumkleide war das nicht der Fall.
    Wie sich herausstellte, waren wir an diesem Tag die Einzigen in diesem Teil der Kabine, weil die anderen Mädchen noch in der Sporthalle blieben, um für ihren Auftritt als Cheerleader zu proben und sich das Radschlagen und die Sprünge zeigen zu lassen. Die Trainerin war gekommen, um ein paar Tipps zu geben, die alle bis auf zwei Mädchen hören wollten.
    Ich hatte nicht das geringste Interesse daran, Cheerleader zu sein, und hätte, davon abgesehen, keine Chance gehabt. Angesichts ihrer Figur wunderte es mich allerdings, dass Jenny sich nicht dafür interessierte.
    Jetzt kam sie, in ihr Handtuch gehüllt, aus der Dusche zum Schließfach. Zwängte sich in ihr Höschen, ohne das Handtuch abzulegen. Ich fummelte an dem Schloss herum und ließ es genau in dem Moment fallen, in dem auch Jenny ihr Handtuch zu Boden fallen ließ.
    Ich schaute hoch.
    Jenny Samuels ragte über mir auf, mit nacktem Oberkörper, und diese beiden riesigen Brüste standen so weit vor, dass ich zuerst

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