Das Leben einer anderen: Roman (German Edition)
Jennys Gesicht nicht mehr sah. Und erstaunlicherweise hatte sie es gar nicht eilig, ihren BH anzuziehen. Die beiden nackten rosa Brüste von Jenny Samuels, nach deren Anblick ich mich den ganzen Herbst über gesehnt hatte, waren direkt vor meinen Augen – und sie waren noch größer und runder, als ich sie mir erträumt hatte.
Sie setzte sich einfach so auf die Bank, mit ihrem geblümten rosa Spitzenhöschen, das in ihre üppigen rosa Schenkel schnitt, den runden rosa Nippeln und ihrer weißen sommersprossigen Haut, und ihre Brüste hingen nun noch gewaltiger abwärts, denn Jenny beugte sich vor und schlug die Hände vors Gesicht. Sie weinte.
Ich war so verblüfft, dass es mir beinahe die Sprache verschlug, aber dann gelang es mir doch, etwas zu sagen. »Was ist denn?«, fragte ich. Und weil ich ein schlechtes Gewissen hatte, fügte ich gleich noch hinzu: »Hab ich was Falsches getan?«
»Du doch nicht«, antwortete sie. »Diese Jungen, die immer überall herumlungern, um mich zu beobachten. Ein paar von denen haben bei den Cheerleader-Proben auf der Tribüne gehockt. Ich habe gemerkt, dass die nur darauf gewartet haben, dass ich hüpfe. So was passiert ständig. Ich hab es so satt.«
Es dauerte einen Moment, bis mir klar wurde, was sie meinte.
»Die da«, sagte sie und berührte ihre wunderschönen Brüste, die ich so gerne angefasst hätte. Und nicht nur das. »Sie wollen sie hüpfen sehen.«
Ich legte ihr den Arm um die Schultern. Nicht so, wie wenn ich mir vorgestellt hätte, dass wir beide uns irgendwo auf einem Feld im Schlamm wälzten. Oder uns gegenseitig in der Dusche abschrubbten und uns dann die Zunge in den Mund steckten und uns hinlegten und Jenny diese prachtvollen Brüste auf mein Gesicht herabsenkte und mich an diesen perfekten rosafarbenen Nippeln lutschen ließ.
Als ich jetzt den Arm um sie legte, tat ich das nur, um sie zu trösten. So wie mein Bruder mir den Arm um die Schultern legte, wenn es mir wegen irgendetwas, das in der Schule vorgefallen war, schlecht ging.
In diesem Moment verhielt ich mich eher wie eine Schwester, eine gute Freundin. »Die sollten dich nicht zum Weinen bringen«, sagte ich. »Das sind alles Idioten.«
»Ich wünschte, ich wäre so flach wie du«, sagte sie. »Nimm’s mir nicht übel.«
»Ich finde dich wunderschön«, flüsterte ich. Jetzt konnte ich mich nicht mehr beherrschen. »Ich liebe sie.« Damit meinte ich ihre Brüste, aber ich brachte das Wort nicht über die Lippen, und das Wort »Möpse«, das die anderen Mädchen benutzten, kam mir albern und unpassend vor. Als sei ihr Busen ein dummer Scherz und nicht etwas Großartiges.
Ich küsste Jenny. Auf den Mund.
Sie gab einen Laut von sich. Keinen Schrei. Es klang eher wie der Ton, der von meiner Mutter zu hören war, wenn sie einen der Joghurtbecher aufmachte und Schimmel entdeckte.
»Du bist abartig«, sagte sie und griff hastig nach ihrem Handtuch. »Ich sag’s Miss Kavenaugh.«
Als ich später an diesen Moment zurückdachte, wurde mir bewusst, dass die einzige Person an unserer Schule, die meine Gefühle wohl verstanden hätte, Miss Kavenaugh war, unsere Sportlehrerin. Aber damals wurde mir nur klar, dass ich alles zerstört hatte.
Bis drei Uhr nachmittags würde die ganze Schule wissen, dass Dana Dickerson Lesbe war. Und so war es auch. Der einzige Lichtblick bestand darin, dass wir ein paar Monate später wieder umzogen. Und diesmal war ich ausnahmsweise froh, dass meine Eltern es nie lange an einem Ort aushielten.
Ruth
Gegen die Regeln
A bgesehen von den Laboren und Ställen des Fachbereichs Agrarwissenschaften an der Universität, dem Futterladen und der Müllkippe, kann ich mich nur an einen einzigen anderen Ausflug mit meinem Vater erinnern.
Er fand in den Weihnachtsferien jenes Jahres statt, als ich in der siebten Klasse war. Meine Mutter war kurz zuvor zum Begräbnis ihres Vaters in Wisconsin gefahren. Sie wirkte nicht sonderlich traurig, fiel mir auf. Meine Schwestern begleiteten sie, aber als ich sagte, ich würde lieber zuhause bleiben, wurde es mir erlaubt.
Die fünf wollten mit dem Greyhound-Bus fahren, in den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr, in denen auf der Farm nicht viel Arbeit anfiel. Jedes Jahr am zweiten Januar würden die Samenkataloge eintreffen, und dann legte mein Vater immer mit den Bestellungen los, aber bis dahin hatte er alle Zeit der Welt.
Zwei Tage nach Weihnachten – in diesem Jahr hatte mein Vater meiner Mutter einen neuen Pflug für den Traktor
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