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Das Leben einer anderen: Roman (German Edition)

Das Leben einer anderen: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben einer anderen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Maynard
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wir nicht anbauten, wie Ananas aus Hawaii und Heidelbeeren außerhalb der Saison.
    Die schmecken doch nicht, sagte mein Vater. Aber das schien niemandem aufzufallen. Er fragte sich, was aus den Geschmacksnerven der Leute geworden sei. Zu viel Tiefkühlkost und künstliche Aromen, meinte er. Niemand wusste mehr die echten Dinge zu schätzen.

Dana
    Ersatzleben
    E s war schwer zu sagen, wen Val mehr liebte – Jackie oder Jack Kennedy. Meine Mutter bewunderte Jackies Stil und ihre Abendkleider, ihre Einrichtung für das Weiße Haus, ihr Interesse an Kunst. Aber JFK war in Vals Augen der perfekte Mann: stark, attraktiv, charmant und reich.
    Valerie brachte ihr Leben damit zu, sich romantische Geschichten auszudenken. Die waren ihr wohl wichtiger als die echte Liebe – und die Tatsache, dass JFK , der Prinz von Camelot, seiner Gattin wohl kaum länger als einen Tag treu gewesen war, kümmerte sie herzlich wenig. Ihr ging es nur um den äußeren Eindruck, nicht um die Hintergründe – und was die äußere Wirkung anging, war JFK selbstverständlich unschlagbar. Ich bin mir nicht mal sicher, ob Val seinen Tod überhaupt jemals wirklich verkraftet hat.
    Die Wochen nach dem Attentat verbrachte sie fast ausschließlich im Bett. Ich kann mich an keine andere Zeit in Vals Leben erinnern, in der sie nicht einmal zum Pinsel gegriffen hat.
    »Eine Laune, das geht vorbei«, sagte George. Mein Bruder und ich schauten ihn nur wortlos an. Val war kein Mensch flüchtiger Gefühle. Wenn sie sich einmal einer Idee oder einem Gefühl mit Leidenschaft hingab, dann blieb es auch dabei.
    George war den größten Teil dieses Winters verreist. Er hatte eine Idee für eine Spielshow im Fernsehen entwickelt und wollte sich in Hollywood mit Leuten treffen, deren Namen er im Abspann einer erfolgreichen Show gesehen hatte. Er ging davon aus, dass sie sich angesichts seiner Idee vor Begeisterung überschlagen würden.
    Anfang Dezember war er nach Los Angeles gefahren. Jede Woche kam eine Postkarte von ihm, auf der er von Filmstars berichtete, die er gesehen hatte, oder von tollen Restaurants am Sunset Boulevard. Aber von einem Gespräch mit den Fernsehleuten war nicht die Rede.
    »Ich muss erst vorarbeiten«, schrieb er. »In diesem Geschäft sind Kontakte das Allerwichtigste.«
    Er verlor allerdings kein Wort darüber, wer die Kontakte in seinem Fall sein sollten.
    Mein Bruder war wütend, weil George es vor ihm nach Kalifornien geschafft hatte. Ray meinte, es sei zuerst seine Idee gewesen, in den Westen zu fahren, und er fand auch, er sei viel mehr der Kalifornien-Typ als George.
    Mein Bruder jobbte inzwischen als Tellerwäscher in einem Restaurant in der Nähe, um sich das Geld für die Reise zusammenzusparen. Obwohl Val sich sonst wenig um unsere Zukunft scherte, machte sie sich jetzt Sorgen, dass Ray nach Vietnam geschickt werden könnte, wenn er nicht studierte. Mein Bruder meinte, das würde auf keinen Fall passieren, doch dann versäumte er die Frist für die Zulassungstests für die Uni, weil er keine Briefmarke auf den Umschlag geklebt hatte. Danach beschloss er, dass er ohnehin kein Studium bräuchte. Wahrscheinlich glaubte er nach wie vor, er könnte mit Charme durchs Leben kommen, weil ihm das bislang gelungen war.
    Im Februar kamen die Beatles zum ersten Mal nach Amerika, wodurch sich Vals Stimmung etwas besserte. Die Mädchen in meiner Schule waren alle völlig verrückt nach den Beatles und konnten sich nicht einigen, wer von den vieren am süßesten war. Paul war eindeutig der Favorit, aber viele Mädchen aus meiner Klasse waren auch in John verknallt. Die eher rebellisch Gesonnenen bevorzugten George und die Schrulligen Ringo.
    »Welchen magst du am liebsten, Dana?«, fragte mich Angie O’Neil, meine Arbeitspartnerin in Hauswirtschaft, nachdem die Beatles in der Ed-Sullivan-Show aufgetreten waren. »Lass mich raten: George? Oder Ringo?«
    Ich hätte ihr nun antworten können, dass die Beatles mich überhaupt nicht interessierten. Ich hätte Angie komplett schockieren und ihr sagen können, dass ich damals insgeheim für Honor Blackman schwärmte, die in Mit Schirm, Charme und Melone die schöne Anthropologin Cathy Gale spielte und hautenge Leder-Catsuits trug, aus denen ich sie gerne herausgepellt hätte wie eine Banane aus der Schale.
    »George«, antwortete ich, um auf Nummer sicher zu gehen.
    »Das ist gut«, erwiderte Angie. »Ich bin nämlich in Paul verknallt.« Das hörte sich an, als ginge es tatsächlich darum, diese

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