Das Leben einer anderen: Roman (German Edition)
streichelte meine Wange.
Ich hatte einen Plan. Ich wollte nach einem Grundstück unweit der Küste Ausschau halten, in der Nähe der Uni, damit Clarice keinen weiten Weg zur Arbeit haben würde. Nicht so viel Land, wie die Planks besaßen, sondern nur ein paar Hektar, auf denen ich besondere Salatsorten anbauen konnte, die als Alternative zu Eisberg- und Römersalat zusehends beliebter wurden. Und ich überlegte mir, Ziegen zu halten.
Ich hatte ein bisschen Geld gespart. Nicht viel, nur ein paar Tausend Dollar, und die Grundstücke, die ich mir bislang angesehen hatte, konnte ich mir nicht leisten. »Warten wir doch, bis Ihr Mann auch dabei sein kann«, sagten die Makler, wenn ich sie bat, mir die Angebote vorzulegen. Wenn ich erwiderte, ich sei nicht verheiratet, klappten sie ihre Mappen wieder zu.
An einem Wochenende fuhr ich nach Eliot in Maine, einem Ort nahe der Grenze zu New Hampshire, um mir eine Antiquität anzusehen. Ich hatte eine Anzeige für ein Messingbett entdeckt, das ich Clarice zum Geburtstag schenken wollte. Ich wusste, dass sie sich so ein Bett schon lange wünschte.
Der Mann, der das Bett verkaufte, war Ende achtzig. Seine Frau war vor Kurzem gestorben, und nachdem er dreiundsechzig Jahre lang mit ihr dieses Bett geteilt hatte, wollte er nun nicht mehr darin schlafen.
Fletcher Simpson hatte sein Leben lang in dem Haus gewohnt. Es war ein kleines Haus mit zwei Schlafzimmern, von denen seine Frau eines als Nähstube benutzt hatte, denn die beiden waren kinderlos geblieben. Es gab eine verglaste Veranda, einen Staudengarten und hinter dem Haus Beete mit Rhabarber, Spargel, allen erdenklichen Kräutern und dreierlei Beerensorten. Zum fünfzigsten Hochzeitstag hatte Fletcher Simpson dort einen Pflaumenbaum gepflanzt.
Ich sagte Fletcher, dass ich schon lange von so einem Haus träumte. Da ich das Gefühl hatte, offen mit dem Mann sprechen zu können, erzählte ich ihm, dass ich für meine Freundin und mich etwas in dieser Größe suchen würde, um Ziegen zu halten und in die Käseherstellung einzusteigen. Wir würden vielleicht einen kleinen Verkaufsstand haben wollen – von der Art, bei der die Leute Geld in ein Glas werfen konnten, wenn sie sich einen Zinnienstrauß mitnahmen.
»Was würden Sie mir zahlen?«, fragte Simpson.
Ich sagte ihm, dass ich dreizehntausend Dollar gespart hatte. Was auch damals nicht viel war.
»Wissen Sie was?«, sagte Simpson. »Sie geben mir das als Start für meinen Umzug nach Florida. Kümmern Sie sich bitte um meinen Hund. Und dann schicken Sie mir einfach jeden Monat einen Scheck über hundert Dollar. Das machen wir unter uns aus, und den Staat lassen wir außen vor.«
Sechs Wochen später überschrieb er mir die Eigentumsurkunde, und Clarice und ich zogen ein. Wir halfen Fletcher beim Packen und brachten ihn nach Boston, wo er den Flieger nach Fort Lauderdale nahm. Und wir versprachen, ihm regelmäßig Bericht über seine Beagle-Hündin Katie zu erstatten – was wir dann auch taten.
Das Messingbett blieb also an Ort und Stelle, und wir schliefen jeden Abend eng umschlungen darin ein, während Katie zu unseren Füßen schnarchte. Im Sommer verkaufte ich unser Obst und Gemüse und die Zinniensträuße, die Clarice pflückte.
Ich begann mit der Ziegenhaltung und arbeitete mich in die Käseherstellung ein. Damals war Ziegenkäse noch nicht so bekannt, was sich bald ändern sollte. Alle meine Unikurse über Tierzucht hatten mich jedoch nicht auf die Wirklichkeit vorbereiten können – auf das Melken einer neuen Mutterziege, den Geruch eines Bocks in der Deckzeit oder die Herstellung eines Laibs Tomme de Chèvre –, aber ich lernte schnell. Binnen weniger Jahre wurde unser Käse in einer bekannten Regionalzeitschrift gepriesen. Die Leute bestellten ihn per Versand, und er wurde sogar von Restaurants aus angrenzenden Bundesstaaten geordert.
Ziegen sind großartige Tiere: intelligent, treu, sogar witzig. Wenn man allerdings keine guten Zäune hat, kann man seine Himbeerernte vergessen. Diese Erfahrung blieb mir nicht erspart.
Clarice hatte an der Uni eine feste Stelle mit guter Aussicht auf Beförderung. Ihr Privatleben hielt sie unter Verschluss, weshalb ich nicht zu Fachbereichsfesten mitkam – was mir durchaus recht war. Wir hatten einen kleinen Freundeskreis, denn wir genügten uns selbst.
Wir waren das glücklichste Paar, das ich jemals erlebt hatte.
Ruth
Knochen und Zähne
N achdem meine Mutter die fünfte Tochter zur Welt gebracht hatte, gab es
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