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Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Scheidecker
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dem
Rücken. Ich schubste ihn immer mal an, damit er sich auf die Seite drehen
sollte, was ja fast alle Schnarcher gewöhnlich nicht tun. Hatte ich ihn etwas
zur Ruhe gebracht, ging es bei den anderen weiter. Bei 24 Menschen in einem
Raum schnarchten bestimmt sechs bis acht davon in den verschiedensten Tonlagen.
Ein Schnarchkonzert im wahrsten Sinn des Wortes!
    Ich dachte an Hape Kerkeling, der einmal in einer Herberge schlafen wollte, aber dann wegen dem
lauten Schnarchen und der ständig laufenden Klospülung nebenan noch in der
Nacht die Unterkunft fluchtartig verließ, dabei im Innenhof eingesperrt wurde
und bis frühmorgens in der Kälte ausharren musste. Danach wollte er nicht mehr
in Herbergen übernachten. Das konnte ich nun von Herzen nachfühlen.
    Aber warum hatte mir mein lieber Mann
Ohrenstöpsel eingepackt?
    Also raus die Dinger und rein in die Ohren.
Und? - Nun hörte ich zwar kein Schnarchen mehr, dafür aber mein Herz so laut
klopfen, als ob ich in einem schalldichten Raum eingesperrt wäre. So konnte ich
erst recht nicht schlafen. Mittlerweile war es 1.00 Uhr und ich saß
kerzengerade im Bett. Was konnte ich tun? Ich beschloss, erst mal auf die
Toilette zu gehen, und hangelte mich an Charlotte vorbei aus dem Obergeschoss.
Im Flur hatte es sich schon jemand auf der Matratze gemütlich gemacht.
Wahrscheinlich konnte er auch nicht schlafen. Als ich wieder in den Schlafraum
kam, empfing mich eine Luft zum Schneiden. Das konnte doch nicht wahr sein,
dass kein Fenster in dem Raum offen war! Ich tastete mich zu den Fenstern,
öffnete sie und erwartete dabei ständig, dass jemand sich darüber aufregen
würde.
    Aber nein, ich hatte Glück; es war kaum zu
glauben, dass bei dem Schnarchkonzert und inmitten
der schlechten Luft alle schliefen , nur ich nicht!
    Ich atmete die frische Luft tief ein und
irgendwann gewann doch tatsächlich meine Müdigkeit den Kampf gegen die
äußerlichen Widrigkeiten.
    Am Morgen gab es wieder viel Hektik in der
Massenunterkunft, bis jeder seine Sachen gepackt, seine wenn auch kurze
Morgentoilette verrichtet und möglichst noch ein kleines Frühstück eingenommen
hatte. Dazu kam ja noch die Vorbereitung der Beine und Füße für den Weg. Kurz
vor 8.00 Uhr stand plötzlich der Herbergsvater mit unfreundlicher Miene in der
Tür und drängte uns hinaus. Das hatte ich so rigoros noch nicht erlebt und ich
nahm mir vor, in der nächsten Stadt in einem Hotel zu schlafen und
Massenunterkünfte fortan zu meiden.

10.
Ein unerwarteter Zwischenfall mit Folgen
     
    Diesmal war ich jedenfalls überhaupt nicht
traurig, die Herberge und die Stadt zu verlassen. Im Gegenteil, ich freute mich
schon wieder auf die ruhigen Wald- und Feldwege, die wir hoffentlich bald erreichen
würden. Dabei wollte ich so lange wie möglich mit den beiden Engländerinnen
laufen, denn wir hatten immer viel Spaß zusammen, schon allein wegen meiner
„tollen“ Englischkenntnisse, die immer mal wieder für lustige Verwechslungen
sorgten. Leider hatte ich aus Gewichtsgründen nur ein Spanisch-Wörterbuch
dabei, deshalb war eine Erklärung oftmals schwierig, aber die beiden fanden
mein Englisch trotzdem gut, da sie ja kein Wort Deutsch sprechen konnten, wie
sie betonten. Ich ertappte mich schon dabei, wie ich begann, in Englisch zu
denken, und das fand ich wirklich erstaunlich.
    Für heute hatten wir uns vorgenommen,
endlich mal die Dreißig-Kilometer-Hürde zu knacken und bis zu dem kleinen
Städtchen Nájera zu laufen.
    Meine Füße hatten sich über Nacht wieder
gut erholt, die Sonne schien und es war noch früh am Tag. Nichts deutete darauf
hin, dass es Probleme geben könnte. Warum sollte es uns heute nicht mal
gelingen, wenn wir uns das fest Vornahmen! „ Ultreia e sus eia!“ — „Vorwärts jetzt und immerdar!“ Dies war
ein alter spanischer Pilgerspruch, den uns auch manchmal Einheimische zuriefen,
den wir aber meist zu uns selbst oder untereinander als Anfeuerung gebrauchten.
    Am Pilgerbrunnen und an der Santiagokirche vorbei und weiter durch das Stadttor Puerta del Camino (Tor des Weges) führten uns nun die
gelben Pfeile aus der Altstadt heraus, durch ein Neubau- und Industriegebiet,
welches sich später in einen neu angelegten großen Naherholungspark verwandelte
und wo dann der Camino zu einem angenehmen Weg wurde. Dieser zog sich mehrere
Kilometer bis zu einem Stausee hin. Auf der gesamten Strecke waren heute sehr
viele Menschen unterwegs. Waren es zunächst hauptsächlich Pilger, die
massenhaft um die

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