Das Leben in 38 Tagen
sie wissen wollte, durfte sie zum Schluss auch noch ein paar Fotos
schießen. Dabei konnten wir den Esel streicheln und dieser ließ dafür sogar
gnädig für ein paar Augenblicke von dem saftigen Gras ab. Übrigens musste Beth
ihr Gepäck selbst schleppen, da die Prinzessin nur ihr eigenes Futter tragen
sollte. Sie war wohl wirklich eine richtige Prinzessin! Froh verabschiedeten
wir uns mit gegenseitigen Tipps und guten Wünschen und machten uns dann an den
letzten Teil der heutigen Strecke.
Dieser
Tag hatte wieder so viele neue und interessante Erlebnisse für uns
bereitgehalten, dass wir zwar müde und kaputt, aber glücklich nach circa 25
Kilometern unsere Unterkunft in dem kleinen Dorf Bercianos erreichten. Die
Herberge war traditionell für das Gebiet aus braunen Lehmziegeln errichtet und
wirkte von außen wie eine freistehende alte Scheune. Im Garten nebenan
flatterte schon die Pilgerwäsche unter den Bäumen und wir warteten gespannt, ob
wir auf bekannte Gesichter treffen würden.
Als
wir die große Holztür öffneten, erwartete uns auch im Inneren eine Scheune mit
unverputzten Lehmwänden. Inmitten einer dunklen, hohen Halle blickten wir genau
auf einen älteren, schmalen Mann mit Brille, der neben einer einzelnen Lampe
hinter einem Tisch saß und uns freundlich heranwinkte. Nachdem er unsere
Pilgerausweise abgestempelt hatte, stellte er sich als Holländer namens Piet
vor und hieß uns auf Englisch und Deutsch herzlich willkommen. Während uns Piet
die alten, knarrenden Holztreppen hinauf ins Obergeschoss führte, erzählte er,
dass er mit seiner Frau für drei Monate diesen Dienst verrichten würde.
Obwohl
es auch hier oben ziemlich dunkel war, weil es nur zwei kleine Fenster für den
einen riesigen, in der Mitte abgeteilten Raum gab, erkannten wir einige andere
Pilger. Manche lagen in den Betten und schliefen, andere kramten in ihren
Sachen. Erfreut sahen wir Chris und Helen in der einen Ecke nebeneinander auf
ihren Liegen sitzen, während Carol und ich in den Doppelstockbetten genau in
der anderen Ecke gegenüber und natürlich oben einen Platz erhielten. Na, wer so
spät kommt wie wir, kann es sich halt nicht mehr aussuchen!
Sorgen machte mir eher, dass es nur zwei Toiletten, zwei
Duschen und zwei Waschbecken für die vielen Pilger gab. Wie sollte das morgen
früh werden, wenn alle um die gleiche Zeit aufstehen mussten? Da war Schlangestehen wohl vorprogrammiert.
Wir
entschlossen uns, heute keine Wäsche mehr zu waschen, und hofften auf die
modernere Herberge morgen.
Piet
hatte uns gebeten, bei der Vorbereitung des Abendessens zu helfen, und so
lernten wir seine Frau, klein, kräftig und ebenfalls mit Brille, schon emsig
arbeitend in der Küche kennen. Sie empfing uns genauso freundlich wie ihr Mann
und wir erfuhren, dass sie seit ihrer Rente schon mehrere Male hier zusammen
gearbeitet hatten. In der kleinen Küche umfing uns sofort die herzliche
Atmosphäre dieses Hauses und seiner Gastgeber. Gern halfen wir, Salat zu
schneiden und die Tische im Nebenraum zu decken.
Als
plötzlich zu unserer Freude Chris auftauchte, erklärte er Carol und mir, dass
es hier nur Wasser zum Abendbrot geben würde und wir uns Wein selbst kaufen
müssten. Er könnte uns aber dort hinführen, wo man den besten Wein anbieten
würde. Natürlich wollten wir gern Wein zum Abendessen trinken. Das war nun
schon fast zum Ritual geworden. Gespannt folgten wir dem stämmigen Australier
um die Ecke, wo vor einer Art Gartenhäuschen zwei alte Männer saßen und auf
Abwechslung hofften.
Sehr
freundlich erwiderten sie unser „ Buenas tardes !“ und führten uns in einen kleinen, dunklen Raum, der
nur von einem offenen Kaminfeuer erhellt wurde. In der spärlichen Einrichtung
fragten wir uns schon, wo es hier Wein zu kaufen geben sollte, als der etwas
jünger wirkende Mann auf einmal eine kleine Tür öffnete. Dahinter führte eine
steile Steintreppe hinab in einen Keller und unten angekommen zeigte der
Spanier stolz auf seine Vorräte. Unseren erstaunten Blicken bot sich ein
richtiger Gewölbekeller, den man unter dem Gartenhäuschen wohl kaum vermutet
hätte. Die Wände standen voller Regale und in ihnen lagen viele, viele
Weinflaschen. Mit Händen und Füßen erklärte uns der Einheimische, was dies für
ein besonders guter Wein wäre und dass er hier genau die richtige
Lagertemperatur hätte, nämlich vier Grad Celsius.
Die
Flaschen waren ohne Etikett und teilweise sehr staubig, aber im Vertrauen auf
Chris, der uns hierher
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