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Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Scheidecker
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dass wir selbst auf dieser Hochebene einige Flüsse überquerten, so
auch hier den Fluss Cea . Und immer wieder konnte ich
mich daran freuen, die alten Brücken zu überschreiten und dabei das fließende
Wasser und das Leben am und im Fluss zu beobachten.
    Es
war angenehm, mit Carol zu laufen. Sie hatte ungefähr das gleiche Tempo wie ich
und wir unterhielten uns über unser Leben und die Gründe, diesen Weg zu laufen.
Nur schade, dass ich kein englisches Wörterbuch dabei hatte. So musste ich
vielfach umschreiben und mit meinem begrenzten Vokabular auskommen. Das war auf
die Dauer ganz schön anstrengend. Zwischendurch blieben wir öfter stehen und
ich machte Carol auf die Besonderheiten der Landschaft aufmerksam. Den Regen
hatten wir nun wahrscheinlich hinter uns gelassen, denn heute war ein richtig
schöner Frühlingstag und man konnte zusehen, wie die Natur immer neue Farben hervorzauberte, lila und rosa
Heidekraut, gelber und weißer Ginster, selbst die verschiedenen Distelbüsche
und die kleinsten Kräuter und Gräser am Wegrand blühten.
    Der
neu angelegte Weg abseits der Straße mit vielen Bänken und tatsächlich jungen
Platanen führte an mehreren kleinen Seen vorbei, in denen es dem vielstimmigen
Quaken nach vor Fröschen nur so wimmelte. Das Mahl für die Störche schien
reichlich bereitet. Kein Wunder, dass man hier auf jedem Turm ein Paar von
ihnen sah.
    „Wie
dumm die Frösche doch sind!“, sagte ich zu Carol. „Sie machen ja die Störche
mit ihrem Gequake erst richtig auf sich aufmerksam!“
    Sie lachte wieder ihr ansteckendes Lachen : „Yes, it’s right, but this is their nature, they’re
only frogs!”
    Wir
beide hatten viel Spaß miteinander, weil wir oftmals dasselbe dachten. Heute
amüsierten wir uns wieder einmal über zwei männliche ältere Pilger, die nicht
nur im Gesicht wie Zwillinge aussahen, sondern auch noch die gleiche Kleidung
und die gleichen Rucksäcke trugen. Entweder überholten sie uns oder wir sie,
aber wir begegneten ihnen immer wieder. Wir nannten sie „Brothers in arms “, weil sie wie Soldaten immer im Gleichschritt und mit
ernster Miene an uns vorbeimarschierten. Schon von weitem erkannten wir sie an
ihren roten Schirmmützen und rotblauen Jacken! Aber da sie so ernst blieben,
obwohl wir uns nun schon mehrmals gesehen hatten, durften wir auch über sie
lachen, oder?
    Während
wir so frohgemut gingen, das gute Wetter und die auffallend vielen
Rastmöglichkeiten genossen, wo mir Carol unbedingt die Schultern massieren
wollte, sahen wir plötzlich am Wegrand eine ältere, auffallend bunt gekleidete
Frau mit einem Esel. Fin Pilger mit einem Esel? Neugierig gingen wir auf die
beiden zu und es stellte sich heraus, dass die Frau Amerikanerin war und
tatsächlich mit dem Esel pilgerte. Dieser war eigentlich auch eine Frau und
hieß Prinzessin. Unbeeindruckt von unserem Interesse mampfte er friedlich das frische Gras und ließ sich nicht von uns stören.
    Die
Amerikanerin namens Beth erzählte, dass sie den Esel bereits auf dem Hinweg in
Burgos ausgeliehen hatte, mit ihm schon bis nach Santiago gepilgert sei und
sich nun auf dem Rückweg befände. Sie hatte den Esel inzwischen so in ihr Herz
geschlossen, dass sie nur ungern an den Abschied dachte und jeden Tag mit ihm
genoss. Natürlich brauchte man für ihn sehr viel Geduld und Zeit, denn Esel
sind nun mal störrisch und wollen manchmal einfach nicht weitergehen. Carol
strahlte übers ganze Gesicht, als die Frau aus den USA erzählte.
    Ich
beobachtete Beth beim Reden. Dabei fiel mir auf, dass sie genau jene Ruhe und
Gelassenheit ausströmte, die ich mir für mich immer wünschte. Obwohl ihre
dunklen glatten Haare schon von vielen grauen Strähnen durchzogen waren und das
wettergebräunte Gesicht einige Falten trug, leuchteten die dunklen Augen
zufrieden. Hatte dies die Begleitung der Prinzessin bewirkt, das Laufen auf dem
Camino oder war die Frau einfach immer so mit sich im Reinen?
    Ich
glaube, wenn man sich für das Pilgern mit einem Tier entscheidet, muss man
erstens sehr tierlieb sein und zweitens ruhig und geduldig. Außerdem braucht
man natürlich deutlich mehr Zeit, die aber dann sicher auch wieder ein
intensiveres und nachhaltigeres Erlebnis möglich macht.
    Da
ich weder das eine noch das andere für mich in Anspruch nehmen konnte, musste
ich wohl mit Carol als Begleitung vorlieb nehmen, und das war sicher auch gut
so.
    Nachdem
wir uns eine ganze Weile unterhalten hatten und Carol endlich alles erfahren
hatte, was

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