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Das Leben ist ein Kitschroman

Das Leben ist ein Kitschroman

Titel: Das Leben ist ein Kitschroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Benning
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macht.
    Punkt drei standen Theresa und die kleine Denise-Desiree vor der Tür.
    »Du hast ja ein Bordell im Vorderhaus!«, rief meine Schwester zur Begrüßung.
    Ach was.
    »Möchtest du Tee oder Kaffee?«, fragte ich, während ich meine kleine Nichte hochhob und sie abschmuste.
    »Tee«, sagte Theresa.
    »Was ist ein Brodeil, Tante Charlotte?«
    »Da kann man sich verwöhnen lassen«, sagte ich.
    Sofort rollte meine Schwester die Augen, und ich stellte fest, dass sie meiner Mutter von Mal zu Mal ähnlicher wurde.
    »Mit Schoko?« In der Welt einer Vierjährigen waren manche Begriffe klar definiert.
    »Und mit Gummibärchen«, sagte ich und stellte D-D wieder auf dem Boden ab. »Schau mal, ich habe hier eine Katze!«
    »Wie heißt die Katze?«
    »Dr. Oetker. Weil sein Fell wie ein Rührkuchen aussieht.«
    Meine Nichte lachte und rannte auf den armen Kater los.
    »Wirklich hübsch, die Wohnung.« Meine Schwester scannte sorgfältig jeden Raum. »Sehr gemütlich.«
    Was sie wohl erwartet hatte? Dass hier die Peitschen und Lederkorsagen an der Wand hingen?
    Wir schafften es, wie zwei zivilisierte Menschen Tee zu trinken: Sie machte mir keine Vorschläge, wie ich mein Leben zu leben hatte und ich machte keine provozierenden Bemerkungen, sondern hörte mit Engelsgeduld zu, welche Probleme überraschend bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung aufgetaucht waren, und stellte die richtigen Fragen, als sie mir von der Umstrukturierung der Kanzlei meines Schwagers Dirk erzählte.
    »Darf ich draußen spielen?«, unterbrach uns Doppel-D.
    »Draußen?« Dem Tonfall nach hätte Theresa auch »Hölle?« rufen können. »Nein, Mäuschen, das geht hier leider nicht.«
    »Mir ist aber langweilig!«
    Das konnte ich verstehen. Dr. Oetker war längst geflohen und Spielzeug gehörte nicht zum Inventar.
    »Sie kann doch ein bisschen im Innenhof spielen«, schlug ich vor. »Von hier aus haben wir sie gut im Blick.«
    Theresa streckte den Hals und sah hinunter. »Na bitte. Aber du gehst nicht vor zur Straße, Denise-Desiree. Versprichst du mir das?«
    D-D nickte ernst. »Nicht auf die Straße.«
    Wir setzten unser Gespräch fort und alle paar Minuten stand eine von uns beiden auf und schaute nach, ob mit der Kleinen alles in Ordnung war.
    Bis Theresa einen Schrei ausstieß. »Sie ist weg!« Sie riss das Fenster auf und lehnte sich weit hinaus. »Denise-Desiree! Wo bist du? Denise-Desiree!«
    Keine Antwort.
    »Du immer mit deinen blöden Ideen!«, zischte sie. »Wenn meiner Tochter etwas zugestoßen ist, verzeihe ich dir das niemals!«
    »Sie kann nicht weit sein«, sagte ich, während wir zur Wohnungstür rannten. »Pass auf, du suchst auf der Straße, ich im Innenhof!«
    Während Theresa aus dem Hof eilte, sah ich im Treppenhaus und im Keller nach. Nichts. Auch in den beiden Nachbargebäuden hatte niemand das Mädchen gesehen.
    Verdammter Mist. Irgendwo musste die Kleine doch stecken!
    Meine Schwester war noch nicht zurück und ich stellte mich draußen hin und spähte rundherum, ob ich irgendeine Luke oder ein ebenerdig offenes Fenster übersehen hatte.
    Dann sah ich die graue, angelehnte Stahltür.
    Einen Augenblick zögerte ich, denn nach den zugeklebten Fenstern zu urteilen, gehörte sie zum Eroscenter im Vorderhaus. Aber vielleicht war es ein einfacher Lagerraum und D-D spielte dort zufrieden mit irgendwelchen ... Ja, mit was? Mit Kondomen? Mit Dildos? Mit roten Glühbirnen?
    Ich holte tief Luft. Mein Gott, Charli. Jetzt reiß dich mal zusammen. Einerseits gibst du dich enorm cool, wenn von diesem Puff die Rede ist, und jetzt kriegst du die Krise? Nein, so läuft das nicht. Schließlich geht es um deine Nichte. Also los!
    Im nächsten Augenblick stand ich in einem dämmrigen Raum voller Kisten.
    »Denise-Desiree?« Vor lauter Nervosität überschlug sich meine Stimme und ich räusperte mich. »Denise-Desiree?«
    Kein Lebenszeichen der Kleinen. Ich ging weiter.
    Der nächste Raum diente als Wäschelager. Auf Warencontainern, wie man sie in Supermärkten sah, warteten plastikverpackte Handtücher und Bettlaken auf ihren Einsatz und an einem fahrbaren Kleiderständer hingen weiße Bademäntel in allen Größen. Ein schwerer, süßlicher Parfümgeruch lag in der Luft.
    »Denise-Desiree?«
    Ich stieß eine weitere Tür auf und landete in der Getränkeabteilung. Sektkartons und Mineralwasserkästen stapelten sich fast bis zur Decke. Aber von D-D keine Spur.
    Dann stand ich vor einem schweren dunkelroten Samtvorhang. Sollte ich oder sollte ich

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