Das Leben ist ein Kitschroman
aufführt.
Pflanzen gießen bitte nicht vergessen (vor allem in Chr.s Zimmer! Dieses komische bengalische Quittenbäumchen aber nur 1x die Woche!).
Visitenkarte Tierarzt hängt am roten Magnet am Kühlschrank.
Quizsendungen (Jauch & Co) schauen! (Mechthild)
Nächster Garderobeneinsatz Di, 19 Uhr. Sei
pünktlich
!
Darunter hatte sie weitere Daten für meine Arbeit im Opernhaus hingekritzelt. Damit die Liste nicht verloren gehen konnte, befestigte ich sie am Kühlschrank. Meine Gastgeber hatten ein Faible für Wortmagnete, aus denen sie immer wieder neue Kreationen zusammensetzten. Luise hatte sich gestern anscheinend noch mal ausgetobt, denn einige Wortschöpfungen waren neu: knall-sahne, saft-arsch-kanone, hühner-sack und voll-trottel-perle.
Ich beschloss, dass die Zeit reif war für knall-trottel-arsch und wechselte die bunten Quadrate dementsprechend aus. Dann klemmte ich die Merkliste unter »arsch« und zog die Kühlschranktür auf.
Das Angebot war übersichtlich: Milch, Butter, eine angebrochene Cola-light und ein Joghurt, der die beste Zeit seines Lebens längst hinter sich gelassen hatte. Ich bückte mich, um nachzusehen, was es mit dem grünen Teil im Gemüsefach auf sich hatte, als ich ein Geräusch hinter mir hörte.
»Guck mal, Luise, was ich gekauft habe. Meinst du, dass Stefan das gefällt?« Eine Stimme mit holländischem Akzent, der Rudi Carrell alle Ehre gemacht hätte, schallte durch die Küche.
Ich glaubte, vor Schreck in Ohnmacht zu fallen und schrie laut in den Kühlschrank hinein.
»Du bist gar nicht Luise!«, sagte die Frau, halb erstaunt, halb vorwurfsvoll.
Ich schüttelte den Kopf und versuchte, einen Satz zu formulieren. Was nicht einfach war, wenn das Sprachzentrum von einem Schock lahmgelegt worden war.
»I-ist schon weg«, stammelte ich.
»Oh, das tut mir leid«, sagte die Frau. Sie war etwa Mitte dreißig, klein und mollig und hatte ihre dunklen Haare zu einem dicken Pferdeschwanz zusammengebunden. »Ich meine, dass ich dich so erschrocken habe.« Sie setzte sich an den Tisch im Flur. »Ich bin die Nachbar van oben und heiße Ineke. Ich war die letzte Tage in Amsterdam. Darum habe ich Luise länger nicht gesprochen.« Sie musterte mich besorgt. »Wieder besser?«
Ich nickte.
»Ich habe die Schlüssel, weißt du. Und Luise hat die Schlüssel van meine Wohnung. Für alle Gefälle.«
Für den Fall, dass man jemanden mal so richtig erschrecken möchte.
»Ich heiße Charli und hüte Haus und Kater, solange Luise in Schottland ist.«
»Aah!« Jetzt kapierte Ineke alles. »Luise hat van dich erzählt. Dann ist sie jetzt doch zu ihre Schjatz gefahren. Alles klar.« Sie zeigte auf die Tüte, die vor ihr auf dem Tisch lag. »Dann musst du mich sagen, ob die Stefan gefallen wird.« Sie zog einen winzigen dunkelroten, spitzenbesetzten BH mit passendem Slip heraus. »Habe ich in Amsterdam gekauft. Meinst du, die ist hot genug für Stefan?«
Ich hatte keine Ahnung, wer Stefan war, aber ich nickte, denn das Set war wirklich scharf.
»Nicht zu langweilig?« Ineke war sich ihrer Sache nicht sicher. »Wir haben uns nämlich gerade wieder versöhnt und da dachte ich, ich kaufe was Neues.«
»Ganz bestimmt nicht.«
»Okay!« Sie packte beide Teile wieder in den Beutel. »Dann werde ich ihm heute Abend überraschen.« Sie strahlte bei dieser Aussicht. »Hast du auch ein Freund? Oder ein Mann?«
Ich schüttelte den Kopf. Allmählich bekam ich das Gefühl, das einzige Wesen auf Erden zu sein, das derzeit keinen Sex hatte.
»Du Arme!« Ineke tätschelte voller Mitgefühl meine Hand. »Dabei ist Sex so lecker! Ich habe für Stefan ein Cockring gekauft und er kann jetzt ganz lange.«
Ich muss sehr dämlich dreingeschaut haben, denn Ineke begann schallend zu lachen. »Du kennst das nicht?«
Wieder schüttelte ich den Kopf. Dieses Gespräch überforderte mich allmählich.
»Das ist ein Ring für die Schwanz«, begann meine neue Nachbarin freimütig. »Die wird so übergemacht ...« Damit ich es auch ja kapierte, demonstrierte sie den Vorgang mithilfe ihrer Finger. »Und dann kann der ganz lange!« Sie schnalzte mit der Zunge. »Ist sehr schön und Stefan hat ein sehr gute Rhythmusgefühl ... Aber du musst ihn nicht sagen, dass ich dich das erzählt habe.«
Keine Bange, eher würde ich tot umfallen.
»Er ist ein bischjen ... sensibel, weißt du?«
Konnte ich gut verstehen. Wenn mein Partner wildfremden Menschen erzählen würde, was bei uns im Bett abgeht, würde ich sogar sehr sensibel
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